Krise und Konstruktion
Autor: Robert Bernhart
Mein Interesse
Dieser kleine Vortrag entstand im Zusammenhang mit dem Interesse an dem, was man vielleicht am besten Kunstentstehung nennen könnte und im Zusammenhang mit meiner Ausbildung in sog. Kunst- und Ausdruckstherapie, sowie einem Nachdiplomstudium an der Europäischen Hochschule für Berufstätige (EHB-Leuk). Doch eigentlich steht er einfach im Zusammenhang mit meiner Freude am Nachdenken.
Ich glaube das Thema Krise aus konstruktivistischer Sicht anzugehen, ist besonders dafür geeignet, die Möglichkeiten der werkorientierten Kunst- und Ausdruckstherapie ahnen zu lassen.
In diesem Vortrag werde ich aufzeigen können, dass die von manchen beklagte oder in Frage gestellte Geschlossenheit der menschlichen Erkennungsfähigkeit, wie sie der radikale Konstruktivismus behauptet, durchaus auch ihre positive Seite hat.
Einige Vorbemerkungen
Das Thema "Krise und Konstruktion" möchte ich aus einer Perspektive angehen, in der sich die Konturen der zwei Begriffe überlagern und verwischen, wie zwei Bäume, welche eng bei einander stehen und nur schwierig auseinander zuhalten sind.
In diesem Zusammenhang ist mir die Relation der Unschärfe angenehm. Vielleicht deshalb, weil ich mich dadurch eher davor geschützt weiss, meine Sicht einfach zum "Problem des Andern"1 zu machen und sie dem Thema überzustülpen. Es ist eine Arbeitshaltung, welche auch sonst, wie sich zeigen wird, einige Vorteile bietet. Im Alltag ist es ja genau umgekehrt: Wenn wir unscharf sehen, kaufen wir eine Brille, einen Feldstecher oder gehen näher ran. Ausser das Objekt der Betrachtung würde speziell seiner unscharfen Kontur wegen ästhetisch interessieren.
Mir geht es jedoch darum, mit der unscharfen Sicht mehr Nachdenken zu ermöglichen, die Lösungsfindung zu verlangsamen und nicht mit einer vorschnellen attraktiven Lösung das Thema gleichsam vom Tisch zu fegen. Dieser unscharfe Blick auf das Thema soll mich zudem dafür wachhalten, dass ich aus einem Blickwinkel heraus nachdenke und aus einer gewissen Distanz, und, dass ich diesen Blickwinkel in Selbstverantwortung gewählt habe.
Die zweite methodische Vorsichtsmassnahme besteht darin, dass ich im Titel das Wort "Wirklichkeit" mit dem Wort "Konstruktion" ersetzt habe, wobei ich den Begriff "Rekonstruktion" da miteinbeziehen möchte. Dabei ist mir durchaus klar, dass ich damit auf die Systemtheorie und die Denktradtionen des Konstruktivismus und der Hermeneutik Bezug nehme.
1. Die Unschärfe und die Krise.
Je mehr wir uns auf die Einmaligkeit der "Welt" einlassen würden, schreibt Jürgen Kritz2 desto weniger hätten wir Kategorien zur Hand und könnten Prognosen aufgrund von Regelmässigkeiten anstellen und desto eher seien wir damit der Angst vor Unberechenbarkeit ausgeliefert; desto weniger reduziert sei aber auch die Erfahrung, die nun eher die Wahrnehmung von Neuem, Überraschendem und Kreativem zulasse.
Wenn ich deshalb davon ausgehe, dass Menschen in psychischen Krisensituationen wie auch immer, sich einer für sie selbst einmaligen und unberechenbar bedrohlichen Situation ausgesetzt und übernommen fühlen, dann kann ich gewiss sagen, dass in der Krisenerfahrung sich diese Qualität der Unschärfe ebenfalls birgt. Fast scheint es, als würde die je konstruierte Lebenswirklichkeit, wie sie auf dem Boden der Lebensgemeinschaften gewachsen ist, für Menschen in solchen Situationen nicht ganz ausreichen.
Im Gegensatz dazu darf ich sicher auch sagen, dass die Menschen, welche sich theoretisch mit Krise und Konstruktion auseinandersetzen, wie beispielsweise heute abend, sich vom Thema kaum existentiell bedroht fühlen. Die Reflexion über Krise und Konstruktion geht also auf sicherem Terrain vonstatten, selbst dann, wenn wir uns schon in psychisch existentiell bedrohenden Situationen befunden haben sollten. Hier zeigt sich wieder ein Vorteil, die Beziehung zwischen Krise und Konstruktion in einer gewissen Unschärfe zu behalten, und einen andern viablen3 Denkweg zu suchen. Wir erhalten uns dadurch einen kleinen Rest jener Unschärfen-Qualität, mit der Menschen im Kontext von Krisen umzugehen haben. Nicht nur in Krisensituationen auch im Nachdenken z.B heute abend gilt ja, um mit Ernst von Glasersfeld zu sprechen, "dass die Aussenwelt es zulässt, dass wir sie so sehen, wie wir sie sehen"4. Seiner Meinung nach helfen uns Konstrukte, ein physisches und psychisches Gleichgewicht zu schaffen und zu erhalten.
Dieses Gleichgewichtskonzept betrachte ich als ein sehr wertvolles Argument. Es findet sich sowohl in der Aussage von Kritz, als auch in der Aussage von Glasersfeld. Letzerer betrachtet in seinem radikalen Konstruktivismus bekanntlich Weltkonstrukte als rein rationale Konzepte. Ohne diese Begriffe, schreibt Glasersfeld, sei die Welt unvorstellbar und verwandle sich in das "Eine" der Mystiker, welches Dichter und Künstler bewege, welches der Vernunft aber unzugänglich sei 5 - Was mir kritisch an der diesem Satz auffällt, ist das Fehlen von Hinweisen auf das Fühlen und die Intuition. Doch ich nehme an, dass Glasersfeld sie als Folgeerscheinungen unseres Erlebens ansieht.
Die Aussage von Kriz zu Beginn dieses Abschnittes war anders gefasst. Er betont mehr die Ressource, welche sich in der Gefährdung möglicherweise weiter eröffnet als sonst, indem das Neue, Überraschende und Kreative zugelassen werden kann oder muss. Nehmen wir diesen Gedanken auf, dann verlieren Künstler und Dichter etwas den Nimbus des Genialen. Wir würden dann vielleicht einfach sagen können, dass sie möglicherweise anders mit Unsicherheit umgehen können. Wir könnten auch versucht sein zu sagen, dass das "Eine" in der Aussage bei Glasersfeld einfach mit dem "Neuen" in der Aussage von Kriz gleichgesetzt werden kann. Wie sich zeigen wird, ist eine solche Gleichsetzung nicht ganz richtig.
Doch vorher steht noch die Frage im Raum, wie Neues überhaupt wahrgenommen werden kann, wenn dafür keine Begrifflichkeit zur Verfügung steht. Mit dieser Frage könnte ich jetzt auf den Weg der epistemiologischen Forschung einschwenken und es wäre nicht einmal falsch. Oder wir könnten einschwenken auf die Stess- oder Copingforschung. Im Sinne der vorher beschriebenen Arbeitshaltung der unscharfen Sichtweise möchte ich mich auf einen andern Weg begeben und mich im nächsten Abschnitt Humberto Maturana zuwenden.
2. Die Krisenerfahrung und das Unbekannte.
Humberto Maturana weist in seinem bekanntem Text "Der Baum der Erkenntnis"6 darauf hin, daß menschliches Erkennen als wirksames Handeln zwar zur biologischen Tradition gehört, aber immer in einer kulturellen Tradition gelebt wird. Dieses Gemeinsame gestatte es uns, durch kongruente Unterscheidungen unsere Welt hervorzubringen. (Mit andern Worten, auch für ihn gilt, dass wir Menschen durch unsere Art des Unterscheidens und Beschreibens unsere Welt selbst konstruieren). Gemäß Maturana verbirgt jede hervorgebrachte kulturelle Welt deshalb ihre Ursprünge.
Was für uns z.B. eine Blume faktisch ist, wissen wir nicht, wir übernehmen auf verschiedenen Stufen der Differenzierung verschiedene Bezeichnungen ("Blume", "Blumenwurzel" "Aster" oder "Rose", "Staubblätter" etc.) mit denen wir diese Phänome und Phänomene an diesen Phänomen zu beschreiben versuchen, um sie dann in unsere Alltagsgewohnheiten unser Weltsicht zu integrieren.
Maturana betont, unser Leben auf dem Planeten sei aber nur in Gegenwart. Ebenfalls die Dimensionen Vergangenheit zu Zukunft seien Weisen des Jetzt-Seins. Aus diesem Grund müßten auch die verborgenen Ursprünge als Gegenwart angesehen werden. Kulturelle Tradition sei deshalb nicht nur eine Weise zu sehen und zu handeln, aber auch eine Weise zu verbergen. Diese Tradition basiere auf all jenen Verhaltensweisen, die in der Geschichte eines sozialen Systems selbstverständlich, regelmäßig und annehmbar geworden seien. Da die Erzeugung solcher Mechanismen keiner Reflexion bedürfe, falle sie erst auf, wenn sie versage (vgl. Krise). Wenn auch sich verbergend durch die hervorgebrachten kulturellen Welten kann die Existenz eines Menschen im Wortlaut von Maturana dennoch als autopoetischer Prozeß angesehen werden. Mit andern Worten: Menschliches Erkennen heißt handeln. Menschliches Erkennen heißt verbergen.
Wir sind also wieder einen kleinen Schritt weiter. Wir können feststellen, dass das "Eine" bei Glasersfeld und die "verborgenen Ursprünge der kulturellen Welt" bei Maturana wahrscheinlich das Gleiche sind. Hingegen sehen wir auch, dass "neue", "überraschende" und "kreative" Erfahrungen bereits in die kulturelle Welt eingebettet sein müssen. Das wiederum heisst für unser Thema, (1) dass psychisch existentielle Krisen in einer kulturellen Tradition stattfinden, (2) dass allfällige Ressourcen auch über kulturelle Traditionen aktiviert werden und, (3) dass die Bereitschaft neue, und überraschende, kreative Erfahrungen und Begegnungen zu machen, zuerst einmal einfach einen freieren Umgang mit den gesellschaftlichen Traditionen darstellt. Wir könnten sogar soweit gehen, und das eben verwendete Wort Begegnung zum Wort Begegnungsfähigkeit zu erweitern, als eine mögliche Umschreibung dessen, was als Gesundheit angesehen werden könnte. Ich meine damit die Fähigkeit, Gewissheiten gegenüber bewußt wachsam zu sein, und neue Erfahrungen zulassen zu können, ohne das Immunsystem gleich in Alarm zu versetzen oder ihm zu schaden.
Es ist interessant zu wissen, dass Kriz das Autopoesiekonzept für eher untauglich hält. "Das Autopoesiekonzept trifft nicht das, was Psychologen vorwiegend interessiert und letzeres andersherum lässt sich mit dieser Theorie nicht konzeptualisieren"7 Wie wir eben erlebt haben, ist es aber durchaus möglich, damit zu arbeiten. Auf Grund der Lektüre eines anderen Artikels von Jürgen Kriz 8, glaube ich zu verstehen, dass ihn vor allem die behauptete Geschlossenheit des Erkenntnissystems im Autopoesiekonzept nicht passt, die These, dass wir nicht wissen könnten, was die Welt da draussen eigentlich ist. Fast scheint es, dass ihm das Nicht-Wissen über das Unbekannte auf die Nerven geht.
Von meinem oben erwähnten Standpunkt, welcher mir nur einen unscharfen Ausblick auf das Thema ermöglicht, nimmt sich es sich weit weniger dramatisch aus, dass jenes Unbekannte jenseits der Form sich der Bekanntheit entzieht. Auch in psychischen Krisensituation, wenn das Leben nicht mehr weiter zu gehen scheint, die gewohnte Lebenform aus den Fugen gerät, sich auflöst und sich umstrukturiert, ist keine Zeit sich akademisch aufzuregen. Mitten aus der Krise in die Welt zu blicken ist gewiss keine akademische Übung, welche auf sicherem Terrain stattfindet.
Deshalb schlage ich vor, jenes Jenseitige der Form "das Unbekannte" zu nennen und es so zu sehen, wie die alten Seefahrer von ihren Seglern aus über das Wasser blickend es geahnt haben müssen, wohl wissend, dass die Linie am Horizont sich dem Zugriff immer entziehen werde.
3. Krise als Übergang
Der Ethnographe Arnold van Gennep konnte 1908 in einer vergleichenden Studie zeigen, dass in den damals noch mehr oder weniger eigenständigen Ethnien Lebenskrisen mit von ihm so genannten "Übergangsriten" 9 begleitet wurden. Dabei unterschied er drei Phasen: "Separition", "Marge" und "Aggrégation", also Trennung, Übergang, Aufnahme10. Man muss erwähnen, dass Van Gennep stark zwischen religiösen Zerimonien und magischen Rhythen unterschieden hat. Er war interessiert daran zu zeigen, dass z.B. Pubertätsriten nicht den richtigen Namen hatten, weil diese Riten keine spezielle Beziehung zur sexuelle Reife an und für sich hatten. Aus seiner Sicht waren es mehr Riten zur Trennung von der asexuellen Welt, gefolgt von Riten zur Aufnahme in die sexuelle Welt. Das heisst mit Hilfe verschiedener Rituale wurden die Menschen die sich gemäss Gennep in "Lebenskrisen" befanden, in einen Übergangszeitraum gebracht und von dort wieder zurück. Implizite waren dabei drei Bedingungen erfüllt: (A) Die Wechsel von einer Phase in die andere waren für die direkt Betroffenen, für allfällige Helfer und für die Gemeinschaft durch die Rituale klar einsehbar. (B) Zugleich wurde der räumliche und zeitliche Übergang (marge) von den Menschen in Krise, ihren Helfern und den Gesellschaften als notwendig anerkannt. (C) Die betroffenen Menschen verfügten während der Übergangszeit über eine gewisse Autonomie (vgl. auch Solon T. Kimball11).
Victor Turner 12 hat mehr ein halbes Jahrhundert später am Beispiel eines Heilungsritual der Ndembu, einer zentralafrikanischen Lebensgemeinschaft, das Thema wieder aufgenommen und gezeigt, dass sogenannte "liminale" Personen, sowohl was Gesetz, Brauchtum, Konvention Zeremonien und sozialem Status betraf, sich in einer ambivalenten Situation befanden. Was vorher für sie gültig war, hatte seine Gültigkeit verloren, und was später Gültigkeit haben würde, war für sie noch nicht erreicht.
Immerhin, die genauen Übergänge durch Rituale quasi markiert wurden von Helfern (Heilern) auf dem liminalen Terrain und durch die Lebensgemeinschaft in und ausserhalb des liminalen Terrains respektiert.
Für uns, die wir in einer mehr oder weniger multikulturellen Gemeinschaft leben, gibt es solche magische Heilungsrituale nicht mehr, ausser sie hätten sich zu religiösen Zeremonien verdünnt. Was für mir aber wertvoll erscheint an den oben dargestellten sozialantropologischen Berichten und was ich als Konzept übernehmen möchte, ist dieser liminale Raum.
Gespiegelt auf die konstruktivistische Sicht ist es ja so, das Menschen in Lebenskrisen diesen liminalen Zeitraum, diese liminale Sicht mitten aus der Krise selber erzeugen. Ihre altes Welterleben ist fragil, brüchig geworden, sie haben möglicherweise Angst, fühlen sich bedroht, wissen nicht mehr wie weiter.
4. Krisenerfahrung als Ressource
Wie Levine aber betont, bedingte im Bericht von Turner der liminale Zustand keine Isolation. Sich im liminalen Zustand zu befinden bedeutete zwar Aussenseitertum und Niedrigkeit, aber zur gleichen Zeit und eine Möglichkeit, mehr zu werden als man war. Oft wurden Menschen in Gruppen in diesen Zustand gebracht und bildeten dann eine Gemeinschaft. "Liminalität, Marginaliät und Niedrigkeit im sozialen Status seien Bedingungen in den oft Mythen, Symbole, philosophische Systeme und Kunstwerke entstehen."(vgl. Turner und Levine)13
Levine betont, dass die liminale Kreativität durch die Imagination wirke, zwar nicht abgeschottet von den konkreten Lebensbedingungen, aber aus einer speziellen Struktur. Der liminale Zustand sei gekennzeichnet durch die Annahme von Schmerzen und Leiden. Die Verletzlichkeit, Armut und "Nacktheit" in diesen Bedingungen öffne die Grenzen, welche normalerweise durch die soziale Struktur maskiert und/oder versteckt seien.
Wir finden hier also eine Bestätigung unseres Befundes, auf den wir über einen rein konstruktivistischem Denkweg selber auch kamen. Krisenerfahrung geht mit mit der Möglichkeit zu mehr Kreativität einher. Wir sahen diese Krisenerfahrung an die Qualität gebunden, Ungewissheit über die Welt und sich selber ertragen zu müssen. Wir sahen Kreativität an die positive Annahme des Nichtswissens über das Unbekannte jenseits der Formen gebunden.
Sicher, das mag zu einer etwas skeptischen Sicht gegenüber der Welt der Fromen und "sozialen Masken" führen. Eine Skepsis, welche nicht unangepasst sein muss im Krisenerleben von Menschen mit wenig Selbstvertrauen z.B., wenn neue Formen manchmal gefährlich anziehend sind. Andererseits ist es ebenso denkbar, dass das Erleben und neue Wissen um die Vorläufigkeit des zurückbleibenden Formen bei eher rigiden Haltungen zu mehr Spielformen, mehr Symbolisierungmöglichkeiten, zu mehr Lebensmut und Selbstkompetenz führen kann.
Mit andern Worten der positiv würdigende Einbezug des Nichtwissen über Welt da draussen könnte den Handlungspielraum auch erweitern, die Selbstkompetenz vertiefen, die persönliche Autonomie vergrössern, eben heilen helfen. - Der Hinweis sei aber erlaubt, dass ein solches Heilungskonzept auch zu einem vertieften Nichtwissen über die eigene Existenz führen muss. Die einzige Sicherheit idealtypisch gesprochen, welch unter diesen Bedingung bezüglich der eigenen Erkenntnis bestehen bleibt, ist dann die Unsicherheit über das eigene Wissen. Das heisst, auch die Unsicherheit über die Entstehung neuer Einsichten und sonstiger kreativer Werke bleibt bestehen. Zwar werden Intuiton, Gleichgewichtssinn und Empathie in der liminalen Erfahrung, wenn ich unscharf sehe, besonders geschult, aber eine Sicherheit, aus was eine Form entsteht, erhalte ich im Kontext der liminalen Erfahrung nicht.
Wie das Neue entsteht bleibt deshalb unklar. Vielleicht verhält es sich jedoch so, dass Symbole und künstlerische Werke etc. durch einen gewissen Druck entstehen, den das Unbekannte auf das innere Gleichgewicht des Individums im liminalen Zustand ausübt, auf ein Individuum, welches unter dem Eindruck der neuen Perspektive auf seine verlorene alte Welt steht.
Wegen der erwähnten Qualität der Unschärfe und diesem fortbestehenden Nichtwissen verbunden mit den Möglichkeiten und Erfahrungsressourcen im liminalen Zustand halte ich die werkorientierte Kunst- und Ausdruckstherapie für besonders geeignet, eine Basis herzustellen, dass Menschen wieder mit ihrem Alltag zurecht kommen oder zumindest therapierfähiger werden. Was ein Werk ist, werden und müssen wir nie eigentlich wissen. Es muss auch nicht Teil des Alltags werden, aber wir können uns nach der Entstehung über das Werk unterhalten und uns auf unsere Erfahrungen während der Entstehung besinnen.
Literatur
Todorov, Tzvetan; 1982: La conquete de L' Amérque. La question de l'autre. Paris
2 Kritz, Jürgen; 1997: Systemtheorie. Eine Einführung für Psychotherapeuten, Psychologen und Mediziner. Wien; S. 136
3 Von Glasersfeld, Ernst; 19972: Konstruktion der Wirklichkeit und des Begriffs der Objektivität. In: Carl Friedrich von Siemensstiftung (Hrsg.): Einführung in den Konstruktivismus. München; S. 9 - 39
4 Von Glasersfeld, Ernst; 1996: Über die Grenzen des Begreifens. Bern; S. 28f
5 ebd. Glasersfeld; 1996, S. 39
6 Maturana, Humberto R., 1987: Der Baum der Erkenntnis. München (Vgl. 10. Kapitel)
7 ebd. Kriz; 1997, S.88
8 Kriz, Jürgen; 19912 :Erkennen und Handeln. In: Zur Biologie der Kognition. Frankfurt a. Main. S.189 - 204
9 Van Gennep, Arnold; 1908: Les rites de passage. Paris
10 Levine, Stephen K. , 19972: Bearing Gifts to the Feast. In: Poiesis. The language of Psychology and the Speech of the Soul. London S. 43-61
11 Kimball, Solon T. ;1995: Introduction. In: Van Gennep, A.: The rites of passage. Chicago S.vii; x
12 Victor Turner; 1969 (repr. 1995): Liminality and comunitas. In: The ritual process. Structure and antistructure. New York vgl. 3.Kapitel insb. Abschnitt "liminality" S.95 f.
13 Ebd. Levine; 1997, S. 50 / Ebd. Turner; 1995 rpr., S. 128
Ó Robert Bernhart / CH-9500 Wil 2 / Dez. 98 |
Dieser Text wurde zum ersten Mal im autopoetischen Kreis der Universität Zürich besprochen. Lieben Dank den Freunden und Gesprächspartnern.