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Die Aufhebung ursprünglicher Texte

Zum Ausdruck "Aufheben"
Aufheben bedeutet - unter vielem anderen - aufnehmen, aufbewahren und negieren.

Die Hyperbibliothek hebt Texte auf. Zunächst werden Texte in die Bibliothek aufgenommen, meistens werden sie archiviert, also aufbewahrt und oft werden sie durch Veränderungen in einem gewissen Sinn negiert. Sie sind dann noch da, aber nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form. Ueberdies werden die Texte auseinander genommen und einander angeglichen, so dass auch die Autorenschaft immer zweifelhafter wird.

Anweisung an die Bibliothekare:
 
Hebe Texte auf !


Mache Dir die drei Arten des Aufhebens bewusst!

    

Das ist zunächst wieder dieselbe Anweisung wie am Anfang der ersten Phase dieses Kurses. Und das dort Gesagte bleibt natürlich in kraft: es geht darum, dass überhaupt Texte in die Bibliothek aufgenommen werden.

Dann geht es hier aber insbesondere auch um die subtile Unterscheidung zwischen Neuschreiben und Verändern. Ich kann einen Text neuschreiben und dabei viele Formulierungen eines bereits vorhandenen Textes übernehmen, oder ich kann einen bereits vorhandenen Text sehr stark verändern. Der Unterschied zwischen den beiden Varianten ist in den Texten selbst oft nicht zu finden. Es ist eine Frage der Perspektive. Und als Bibliothekar treffe ich eine Entscheidung, indem ich dem Dokument einen neuen oder einen bereits vorhandenen Namen gebe und damit das Dokument überschreibe. Es geht also darum, im jedem Text eine sich verändernde oder eine neue Identität wahrzunehmen - und das muss ich als Bibliothekar jeweils leisten.


 

Umsetzung:
 
Verändere einen Text, speichere ihn zuvor als bisherige Version, indem Du denselben Dokumentnamen beibehälst, aber einen Versionenindex anfügst.
 
Verändere einen andern Text in vergleichbarem Ausmass und speichere ihn unter einem neuen Dokumentnamen.

    

Wenn ich also einen Text akkomodierend verändere, kann ich die jeweils vorgängige Variante des Textes in ein Archiv stellen. In einem gewissen Sinn kann ich so den ursprünglichen Text aufheben. Da im Internet kaum Resourcenbegrenzungen vorhanden sind, kann ich von jedem Text beliebig viele Versionen nebeneinanderstellen [ Anmerkung ]. Ich kann jedes Dokument, bevor ich es verändere, nochmals mit einem zusätzlichen Index, etwa mit dem dem Dateinnamen angfügten Datum speichern. Natürlich muss ich dann auch einen Versionenindex führen, der sichtbar macht, dass und was für Versionen von welchen Texten existieren.

Die Frage, wozu überholte Texte behalten werden sollen, stellt sich in der Hyperbibliothek nicht generell. Wer immer einen Sinn darin sieht, kann es problemlos tun. Es ist wie das Aufnehmen neuer Texte "beliebiges" Verhalten der Bibliothekare. Wenn ich Versionen anlege, wächst die Bibliothek und die Ordnung nimmt tendenziell ab.


 

Jede Bibliothek ist systemtheoretisch gesehen zu jedem Zeitpunkt in einem bestimmten - wenn auch nicht unbedingt bestimmbaren - Zustand. Diese Aussage beziehe ich vor allem auf verschiedene Versionen desselben Textes. Viele Text(teil)e sind in einer hinreichend grossen Bibliothek - unter anderem durch mehr oder weniger explizite Zitate von Zitaten und Plagiaten - beliebig oft und beliebig ähnlich vorhanden. Im Normalfall weiss ich natürlich aus denselben Gründen auch in einer konventionellen Bibliothek nie, wessen Text ich lese und wie stark der Text von seiner ursprünglichen Form abweicht [ Anmerkung ]. Dass Verlagswesen ermöglicht mir durch die Durchnummerierung aller Bücher (ISBN), nur eine relativ eindeutige Identifizierung des Buches, aber nicht die Herkunft des Textes. In diesem konventionellen Verlagsfall - den ich auch in der Hyperbibliothek durch Versionen simulieren kann, kann ich also zwar auf stabile Quellen verweisen, dafür können diese eingefrorenen Quellen nicht mehr besser werden.

In der Hyperbibliothek kann ich andere Texte zitieren oder verlinken. In beiden Fällen beziehe ich mich aber auf Texte, die sich potentiell verändern. Wenn ich etwas verlinke oder zitiere, was sich verändert, kann ich spätere Systemzustände nur abschätzen. Falls ich in einem späteren Zeitpunkt realisiere, dass das Zitat nicht mehr stimmig ist, werde ich das Zitat nachführen und so die Verbesserung des Originals auch in den zitierenden Text aufnehmen [ Anmerkung ].

Wenn ich von einem Text mehrere Versionen habe, muss ich auch entscheiden, was ich als Original eines Textes betrachte. In dieser Hyperbibliothek betrachte ich - auch das der traditionellen Intuition entgegen - die jeweils letzte oder jüngste Version als Original.


 

Die Texte einer Hyperbiblitohek sind steter Anpassung unterworfen, sie unterliegen einem Prozess, den ich Hyperkommunikation nenne.