Brecht, Bertold: Die Bücherverbrennung, in: <<Ein verjagter Dichter>> Zum 100. Geburtstag von Oskar Maria Graf (22. Juli), NZZ Nr. 168, 21. Juli, 1994, S. 37
Als das Regime befahl, Bücher mit schädlichem Wissen
öffentlich zu verbrennen, und allenthalben
Ochsen gezwungen wurden, Karren mit Büchern
Zu den Scheiterhaufen zu ziehen, entdeckte
Ein verjagter Dichter, einer der besten, die Liste der
Verbrannten studierend, entsetzt, dass seine
Bücher vergessen waren. Er eilte zum Schreibtisch
Zornbeflügelt, und schrieb einen Brief an die Machthaber.
Verbrennt mich! schrieb er mit fliegender Feder, verbrennt mich!
Tut mir das nicht an! Lasst mich nicht übrig! Habe ich nicht
üImmer die Wahrheit berichtet in meinen Büchern? Und jetzt
üWerd ich von Euch wie ein Lügner behandelt! Ich befehle euch:
Verbrennt mich!
"Unvergessen ist sein Protest "Verbrennt mich!", mit dem er sich von Wien aus in der Presse dagegen verwahrte, der Bücherverbrennung entgangen zu sein. Die Nazis hatten ihn sogar in ihrer blinden Bewunderung für das ihrem Literaturverständnis gemäss Bodenständige auf ihre "weisse" Liste gesetzt. Diese Unehre, schrieb Graf empört in seinem offenen Brief, habe er nicht verdient. Brecht widmete dem "verjagten Dichter", der die Verbrennung seiner Werke befahl, ein berühmtes Gedicht"" (ebd.).