Plenzdorf, Ulrich: Die neuen Leiden des jungen W.
106 g. 45. A. 2000. Suhrkamp-Tb. (300). Suhrkamp Taschenb. Kartoniert. SFr. 9.80 Bestell-Nr. 3235807
ISBN 3-518-36800-1
Ein tolles Remake von Goethes Die Leiden des jungen Werthers
Zusatztext
Der 17-jährige Edgar Wibeau nimmt einen Streit mit seinem Vorgesetzten zum Anlass, seine Lehre in einem Metall verarbeitenden Betrieb abzubrechen und geht nach Berlin. Dort richtet er sich in einer verlassenen Gartenkolonie ein und findet ein Reclamheft. Dass es sich dabei um R Goethes Roman Die Leiden des jungen Werther handelt, weiß er nicht, weil er Titelblatt und Nachwort als Toilettenpapier benutzt. Von der Lektüre beeindruckt, verwendet Edgar fortwährend Zitate aus dem Werk. Seinen Lebensunterhalt verdient er sich bei einer Malerkolonne: Nachdem deren Projekt, die Entwicklung eines Farbspritzgeräts scheitert und Edgar beinahe aus der Kolonne fliegt, baut er in seiner Laube an einem eigenen Gerät. Bei dessen Inbetriebnahme erleidet er schließlich einen tödlichen Stromschlag.
Zusammenfassung
»Die "neuen" Leiden des jungen W. sind die alten: Liebe, die als Eifersucht schmerzt, gestörtes Verhältnis zur Mitwelt, das als verletzter Ehrgeiz quält. Auch Werther 1972 liebt eine verlobte, später verheiratete Frau namens Charlotte, die er nicht wie sein Vorgänger Lotte, sondern "Charlie" nennt. Die erstaunliche Meisterschaft des Autors, dessen Begabung für die Darstellung gebrochener jugendlicher Helden sich ausspricht, zeigt sich in der Leichtigkeit, mit der er die beiden Komplexe Liebe-Politik, Einzelner-Gesellschaft miteinander vernäht.« Rolf Michaelis, Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Leseprobe:
»Wann hast du ihn zuletzt gesehen?«
»Im September. Ende September. Am Abend bevor er wegging.«
»Hast du nie an eine Fahndung gedacht?«
»Wenn mir einer Vorwürfe machen kann, dann nicht du! Nicht ein Mann, der sich jahrelang um seinen Sohn nur per Postkarte gekümmert hat!«
»Entschuldige! - War es nicht dein Wunsch so, bei meinem Lebenswandel?!«
»Das ist wieder deine alte Ironie! - Nicht zur Polizei zu gehen war vielleicht das einzig Richtige, was ich gemacht hab. Selbst das war schließlich falsch. Aber zuerst war ich einfach fertig mit ihm. Er hatte mich in eine unmögliche Situation gebracht an der Berufsschule und im Werk. Der Sohn der Leiterin, bis dato der beste Lehrling, Durchschnitt eins Komma eins, entpuppt sich als Rowdy! Schmeißt die Lehre! Rennt von zu Hause weg! Ich meine ... ! Und dann kamen ziemlich schnell und regelmäßig Nachrichten von ihm. Nicht an mich. Bewahre. An seinen Kumpel Willi. Auf Tonband. Merkwürdige Texte. So geschwollen. Schließlich ließ sie mich dieser Willi anhören, die Sache wurde ihm selber unheimlich ...