Sascha Lobo (1975) ist Blogger und Verleger sobooks. Er bedient einen Mainstream-Journalismus und wird durch diesen unterhalten, indem er das Internet mystifiziert und als Hintergrund eines populistischen Diskurs zu Demokratie und Überwachung verwendet (sehr ähnlich wie E. Morozov). S. Lobo ist ein exemplarischer Repräsentant des Diskurses, in welchem das Internet nicht technisch, sondern medial gesehen wird. Technik und Technologie wird tabuisiert, wodurch ein funktionaler Diskurs - beispielsweise über Überwachung oder über arabische Frühlinge und dergleichen - generiert wird. (Ein Beleg für die nicht so freundliche Bemerkung steht unten). |
Ein exemplarisches Beispiel für den populistischen Diskurs von S. Lobo:
Sascha Lobo: Über Überwachung (On surveillance) https://www.youtube.com/watch?v=d1qOkJcn2c4
Argumentationsstruktur:
Die Überwachung - gegen die sich die Zivilgesellschaft wehren muss - hat einen Grund, den man verstehen muss: Die Deutschen jubeln 1938 Hitler zu, dass sie "am deutschen Wesen die Welt genesen lassen wollen (3:27)". Die Deutschen wollen den Krieg. Die Engländer wollen eine Abwehrkanone. Die Amerikaner erfinden die Kriegstechnik, die in der totalen Überwachung mündet.
Die wesentliche Technologie liefern einerseits N. Wiener mit seiner Kybernetik (kolportiert wird die Kanonengeschichte)
und andrerseits V. Bush und Engelbart, die mit Hypertext und Maus das Internet erfunden haben.
In der Kybernetik sieht S. Lobo den "Urgrund auf der Hinführung zur Überwachung" (6:26), weil er im Untertitel des Buches "Kontrolle von Menschen" liest und das mit die Kunst des Steuerns (10:32) von Menschen übersetzt, woraus nochmals Kybernetik als Urgrund der Überwachung postuliert wird (11.00).
Kritik
Man kann mit vielen guten Gründen gegen Überwachungen aller Art sein. Und man kann sich Gedanken dazu machen, warum es Überwachungen wie das Abhören von privaten Kommunikationen durch Organisationen wie die NSA und andere Geheimdienste gibt.
Man kann jedes Abhören als Verteidigungstaktik darstellen, so wie jede Kriegshandlung als Verteidigung von eigenen Interessen gesehen werden kann. Das deutsche Kapital, das durch Hitler repräsentiert wurde, sah im Angriff-ist-die-beste-Verteidigungs-Krieg mit hinreichender demokratischer Mehrheit die beste Möglichkeit die eigenen Interessen zu verteidigen.
Mit Technik oder gar mit Kybernetik hat das nicht das gerinste zu tun, dagegen sehr viel mit den Schlauheiten von SunTsu: Kenne deinen Gegner!
Briefpost und Telefon wurden überwacht, lange bevor das Internet existierte. Der FBI-Gründer J. Hoover öffnete jeden (ihm) beliebigen Brief und installierte an jedem (ihm) beliebigen Ort Mikrophone.
Der Vortrag von S. Lobo macht - unabhängig von seinem Gegenstand - ein paar Aussagen zur Kybernetik, die zeigen, dass S. Lobo das Wesen der Kybernetik nicht im Geringsten verstanden hat. Das ist für sich genommen natürlich ohne jede Relevanz. Seine Ängste können trotzdem begründet sein. Mir geht es nicht um S. Lobo, sondern darum, wie Technologie in populistischen Darstellungen verzehrt und als Sack geschlagen wird, weil der Esel nicht zuhanden ist.
"Controll and communication" steht für Regelung, nicht für Kontrolle im Sinn des deutschen Wortes. Regelung bedeutet gerade nicht Steuerung aufgrund von Wissen über das Ziel, wie es S. Lobo ausführlich darstellt, sondern ein Reagieren auf Abweichungen von einem Sollwert. Das kolportrierte Beispiel der Flugabwehrkanone ist gerade kein Beispiel für Regelung und mithin kein Beispiel für Kybernetik. Es geht in der Kybernetik gerade nicht darum, etwas voraus zu berechnen, sondern im genauen Gegenteil darum, im Nachhinein zu reagieren, also um Feedback.
D. Engelbart hat die Maus erfunden. Die Maus und das zugehörige GUI sind neben Computer und Telefonnetz so wenig wegdenkbar wie Bleistift und Papier, aber sie sind in keiner Weise wichtig oder gar Grundlagen des überwachten Internets.