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Verschiedene Auffassungen von Kommunikation:
Vilém Flusser: Kommunikologie

"Kommunikologie" steht nach V. Flusser - in Analogie zum Ausdruck Biologie - für die Lehre über die Kommunikation. Man kann Kommunikation nach V. Flusser naturwissenschaftlich erklären, wie das C. Shannon in seiner "Informationstheorie" tut, oder geisteswissenschaftlich interpretieren, wie das in der Kommunikologie geschieht.

V. Flusser bezeichnet die menschliche Kommunikation als künstlichen (kulturellen) Vorgang, der auf der Erfindung von Werkzeugen, nämlich auf zu Codes geordneten Symbolen beruhe (Flusser:9). Der Mensch sei ein Idiot (mangels der für Menschen konstitutiven Kunstfertigkeit), wenn er die Werkzeuge der Kommunikation nicht benutzen könne. Natürliche Verhaltensweisen (die eben in diesem Sinne keine Kommunikationen sind) sind nach ihm der Vogelgesang oder der Bienentanz (Geste), bei Menschen etwa Geschlechtsverkehr, also Verhaltensweisen, die nicht an Werkzeuge gebunden sind. Der Mensch ist, wenn er die Werkzeuge der Kommunikation nicht benutzen kann, nach V. Flusser ein Idiot, weil der Gebrauch von Kommunikationsmitteln ein für Menschen konstitutive Kunstfertigkeit sei (1).

Kommunikation erzeuge jene Kodifizierung, deren Sinn es sei, uns vergessen zu lassen, dass wir einsame Tiere sind, in für sich genommen völlig bedeutungsloser Natur in Einzelhaft zum Tode verurteilt (was ein Faktum der Naturwissenschaft sei). Wir kommunizieren nach V. Flusser nicht, weil wir gesellige, sondern weil wir einsame Wesen seien, die es in der Einsamkeit nicht aushalten.

Ein zweiter unnatürlicher Aspekt liegt in der negativen Entropie (Information und deren Anhäufung). Alle Naturprozesse sind entropisch (wenn man den Uebergang von der Eichel zur Eiche als Epizyklus betrachtet, in welchem die Eiche zur Asche wird, wobei Asche wahrscheinlicher ist als Eiche (Wärmetod).


Kritik

V. Flusser spricht über Bewusstsein und mithin - im explizit gemachten Unterschied zum "Naturwissenschaftler" C. Shannon - über Menschen, nicht über Maschinen. Sein Kommunikationsbegriff ist aber funktional (was er wohl mit "geisteswissenschaftlich" meinen könnte). Das heisst, man kann bei V. Flusser viel über die Funktion, aber nicht viel über die Funktionsweise der Kommunikation erfahren. Die Systemtheorie befasst sich mit Funktionsweisen, nicht mit Funktionen. C. Shannon und V. Flusser sind also extrem komplementär (sich ergänzend), wenn sie mit dem Ausdruck "Kommunikation" überhaupt etwas vergleichbares meinen.

V. Flusser's Werk ist sehr interessant, er entwickelt einige Konzepte, die in der Kommunikationswissenschaft sehr wichtig sind. Vor allem sein Konzept "Technobild" und seine Unterscheidung zwischen Dialog und Diskurs bilden Meilensteine (2). Sein eigentlicher Kommuniationsbegriff - und der interessiert hier - ist sehr alltäglich unreflektiert: Er hat absolut keine systemtheoretische Sicht, im Gegenteil, er geht davon aus, das Menschen sich gegenseitig Mitteilungen machen. (Die ganze Kommunikologie unterstellt ein Mitteilungs-Modell. Hier will ich nochmals darauf aufmerksam machen, dass das kein Fehler und kein Nachteil ist, sondern eine Differenz, ein Unterschied, zu dem, was andere, eben beispielsweise Systemtheoretiker sehen).

V. Flusser ist extrem melancholisch. Interpretation versteht er als vergebliches Ankämpfen gegen den Wärmetod. In der spezifischen Natur des Menschen (gegenüber den Tieren) liegt zunächst das Ankämpfen (Bewusstsein) gegen den eigenen Tod. Das die Gattung, die ja im Erbmaterial lebt, auch ein Bewusstsein des Sterbens habe (eben den Wärmetod mit dem Verglühen der Sonne), und zwar im konkreten Menschen, darin liegt die Melancholie (und die damit verbundene politische Haltung).

Weiter Anmerkungen

Zur Wahrscheinlichkeit (Entropie): Kommunikation erhöht die Unwahrscheinlichkeit des Systems. Sie ist damit antinätürlich, weil die Natur die Wahrscheinlichkeit erhöht. Das Beispiel ist: Wenn ich mit Kreide schreibe, unterliegt der materielle Prozess (laut Flusser) der Entropie, während der "Kommunitationsprozess" an Ordnung gewinnt (253).

Das zentrale Problem der Kommunikologie ist die Konvention, weil sie die Grundlage der Kommunikation ist (253). In meiner Redeweise ist Konvention die Grundlage für Mitteilungen, nicht für Kommunkation.

Flusser sagt, kausale Erklärungen gehen an der Kommunikation vorbei, weil Kommunikation mit Absicht (negative Entropie) erfolgt (255). In meiner Redeweise gibt es nur kausale Erklärungen (Konstruktionen). Der Kommunikationsprozess ist kausal. Das menschliche Verhalten entzieht sich der Gesetze, es ist aber nicht gleichzusetzen mit Kommunikation.

Flusser sagt, da es sich bei der Kommunikation nicht um ein naturwissenschaftliches Phänomen handelt, gehe es nicht um Zufall und Notwendigkeit, sondern um Absicht. Deshalb müsse man nach dem Motiv fragen. Als Motiv gibt Flusser an: Kodifizierung als Urform des Ordnens. Wir versuchen Ordnung in das Chaos zu bringen, weil wir in der Ordnung Sinn sehen. Das ist eine Hyperkommunikation-kompatible Auffassung, wenn auch verdreht dargestellt. Es geht darum, dass der Einzelne konstruiert, Sinn und Chaos sind unerheblich. Kodifizieren ist Konstruieren. Der Einzelne tut es, indem er sich ausdrückt.


Vilém Flusser hat eine Theorie zur Kommunikation aufgestellt, die wir auf die Entwicklung des Internets beziehen können. Er hat Kommunikationsstrukturen zunächst in zwei Kategorien eingeteilt. Die eine ist eine diskursive Struktur, die klar zwischen Autor, Sender und Empfänger unterscheidet. Allein der Autor kann gleichzeitig auch Sender sein. Unter dieser Struktur hat Flusser vier Modelle der Kommunikation zusammengefaßt:

1. Die Pyramide: An der Spitze steht ein Sender/Autor, der die Information an Übermittler verteilt, deren Funktion es ist, die Empfänger zu unterrichten. Als Beispiel könnte die Kirche mit ihrer hierarchischen Struktur genannt werden.

2. Der Baum: Flusser unterscheidet ihn in zwei Punkten von der Pyramide. Zuerst steht an der Spitze kein Autor sondern ein Prinzip, wie bspw. in der Wissenschaft. Die Übermittlungsstellen sind nicht hierarchisch, sondern dialogisch aufgebaut und die Empfängergruppen analysieren und kritisieren die erhaltenen Informationen, sodaß es zu einem Prozeß der gesteuerten Vermehrung der Information kommt.

3. Das Theater: Dieses Modell ist dadurch gekennzeichnet, daß der Sender und eine Gruppe von Empfängern einander zugewandt sind und sich der Sender mit dem Rücken zu einer Wand befindet, die daß dahinterliegende abschirmt. Diese Situation treffen wir in der heutigen Pädagogik im Sinne von Frontalunterricht an. Hierbei kann der Sender sowohl nur Vermittler einer Reproduktion (das Beispiel im Text, dem ich diese Theorie entnommen habe, ist das Kino, um aber bei der Pädagogik zu bleiben finde ich das Bild des Lehrers als Vermittler hier angebrachter) oder auch Urheber der Information sein (hier wird als Beispiel eine Vorlesung benutzt, welches dann besser zu dem von mir gewählten Beispiel des Lehrers zu passen scheint). Flusser fügt hinzu, daß diese Struktur und nicht irgendeine Dialogform die Kette der Generationen (Wissensweitergabe von Großeltern über Eltern zu Kindern usf.) bildet.

4. Das Amphitheater: Hier bilden Sender und Empfänger keine Einheit, sondern der Sender kann sich an einem beliebigen Ort befinden, von dem aus er in den offenen Raum sendet und der Empfänger befindet sich ebenfalls im offenen Raum, wo er von allen Seiten Informationen erhält, die zunächst an keinen konkreten, körperlichen Sender gebunden sind. Das heißt, der Sender sendet ohne konkreten Adressaten und der Empfänger befindet sich, nach Flusser, nicht in einer Phase der Konzentration, wie im Theater, sondern der grenzenlosen Zerstreuung. Flusser sagt, es herrscht totale Kommunikation bei totaler Kommunikationsunmöglichkeit. Dieses Modell entspricht den herkömmlichen Massenmedien.

Die zweite, übergeordnete Struktur ist eine dialogische, in der es keine Trennung der Funktion von Autor, Sender und Empfänger mehr gibt und alle Beteiligten sowohl Sender als auch Empfänger sind. Diese Struktur umfaßt wiederum zwei Kommunikationsformen:

5. Der Kreis: Im Kreis sind die beteiligten Kommunikationspartner um eine leere Mitte versammelt, in der sich die Information durch den Dialog bildet. Als Beispiel nennt Flusser den Marktplatz, aber auch den runden Tisch oder das Laboratorium...

6. Das Netz: Im Netz erfolgt die Synthese der Information durch die Diffusion im Netz und jeder beteiligte Partner bildet das Zentrum des Dialogs. Als Beispiele werden das Telefon, die Post oder - und jetzt komme ich zu dem für die Arbeit entscheidenden Punkt - Computernetzwerke genannt.

Nach Flusser bildet diese Formation die Grundlage aller Kommunikation, welche letztlich alle vom Menschen ausgearbeiteten Informationen in sich aufsaugt, also den Anfang und das Ende der Kommunikation. Flusser ging davon aus, daß gut ausgearbeitete Netzsysteme dem Amphitheater der Massenmedien die Stirn bieten können


 

Damit sind zwei extreme Verständnisse von Kommunikation gegeben. Im folgenden erläutere ich einige Mischformen, die unterschiedlich gewichten. Ich beginne mit G. Bateson's Auffassung.

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