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Techniksoziologie .... Technik

Das Bayerische Obermediziner-Kollegium schrieb 1838, die schnelle Bewe­gung müsse bei den Rei­senden unfehlbar eine Gehirnkrankheit erzeugen, weshalb man die erst drei Jahre zuvor eröffnete Strecke von Nürnberg nach Fürth rasch mit einem Bretterzaun einfassen müsse, um die visuellen Reize für Fahrgäste zu minimieren.


[ K. Passig ]

"Technikkritik" ist alles Andere als "skurrile Marginalie", die es zu allen Zeiten gegeben hat. "Technik" ist als Kollektivsingular genau wie "Geschichte", "Fortschritt", "Zukunft", "Kunst" oder auch "Natur" im späten 18. Jahrhundert entstanden und damit typischer Modernebegriff. Es gab keine "Technikkritik" in der Frühen Neuzeit, weil es nicht einmal einen Begriff von "Technik" gab. "Technikkritik" ist schließlich ohne "Theorie der Moderne" und damit verbundener Geschichtsphilosophie ganz undenkbar und kommt eigentlich erst ab 1900 richtig in Gang. Rolf Peter Sieferle, den Kathrin oben zitiert, hat vor 30 Jahren eine vierteilige Gliederung der historischen Technikkritik vorgeschlagen: Technikkontrolle in vormodernen Gesellschaften, die Konflikte mit Einsetzen der Industrialisierung, die Zivilisationskritik der Jahrhundertwende und Zwischenkriegszeit und zuletzt die moderne Umweltbewegung. Eben das ist der Inhalt seines Buchs "Fortschrittsfeinde" und Sieferles Gliederung hat sich einigermaßen durchgesetzt, auch wenn das Buch selbst überholt ist. Heute würde man zum Beispiel die konservative Technikkritik der Sombart, de Lagarde, Klages, Moeller van den Bruck, Spengler, Schmitt, Freyer, et al. aufwerten und positiver darstellen, aber das war 1984 noch nicht üblich, erstens, weil man noch nicht viel über sie wußte, zweitens, weil der große Fritz Stern mit seinem "Kulturpessimismus als politische Gefahr" noch glauben machte, diese Autoren hätten uns geradewegs in den Nationalsozialismus geführt. Das glaubt heute niemand mehr. Thomas Rohkrämers Habilitationsschrift ist dazu ausgezeichnet: http://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00045999_00001.html Dennoch: gerade Sieferle schreibt mit bezug auf das 19. Jahrhundert vom "Mythos des Maschinensturms". Die technikgeschichtliche Literatur sei voller Anekdoten über Widerstände gegen technische Innovationen. Der sich dahinter verbergende "Mythos von der atavistischen Technikfeindschaft" biete eine wichtige Legitimation für die Träger des lndustriesystems. Vor allem die technischen Pioniere des Industriezeitalters und die großen Gründergestalten hätten sich so ein heroisches Selbstbewußtsein als Männer der Tat gegeben, die den technischen Fortschritt zum Wohle aller gegen irrationale Widerstände durchgesetzt hätten. Sieferle schreibt, man müsse "sehr genau unterscheiden, um was es dabei jeweils ging", wenn man in der Geschichte auf Fälle von Widerstand gegen technische Innovationen stoße. Das sollte man beherzigen und nicht immer gleich "Technikphobie" schreien.?


Thomas Macho: Technische Utopien und Katastrophenängste http://edoc.bbaw.de/volltexte/2010/1319/pdf/03_macho.pdf (PDF)
 
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