Jérôme Seymour Bruner (1915-2016) war Psychologe mit pädagogischen Interessen. Er leistete wichtige Beiträge zur kognitiven Lerntheorie und war ein Initiator der sogenannten Kognitive Wende der Psychologie. Bruner lehrte Psychologie als Professor in Harvard (1952–1972), Oxford (1972–1980) und an der School of Law der New York University (seit 1980). Er war Mitbegründer des Center for Cognitive Research in Harvard und auch dessen Direktor. Zusammen mit Leo Postman veröffentlichte er die Hypothesentheorie der sozialen Wahrnehmung, welche die soziale Determination der Wahrnehmung in den Mittelpunkt stellt und jeden Wahrnehmungsvorgang als Versuch der Bestätigung einer inneren Erwartung oder Hypothese auffasst. Mit einem Spezialgerät, dem Tachistroskop, haben sie gemessen, wie schnell man erkennt (oder versteht), was man sieht. Während die Versuchsperson in die Maschine blickt, erscheint auf einem kinoähnlichen Schirm ein Bild für die Dauer einer hundertstel Sekunde. Postman und Bruner stellten fest, dass die meisten Leute solche Dinge schneller erkannten, die sie bereits kannten und schätzten.[4] Damit war um 1950 die Vorherrschaft des Behaviorismus (stimulus – response) in den USA gebrochen und der Weg für die Kognitive Wende gebahnt. In Anschluss führte Bruner die Forschungen Jean Piagets in die USA ein. Mit seinen eigenen Studien zur Entwicklungspsychologie hat er bahnbrechende wie umstrittene Theorien zur Entwicklung des Denkens und Sprechens vorgestellt. Mit seinen Studenten unternahm er in den 1960ern Feldforschungen an Kindern der Wolof im Senegal und an Eskimos. Dabei zeigt er die Bedeutung der sozialen Umwelt für das Lernen auf, wie es Lew Wygotski angebahnt hatte. R. Bellarmino |