"Ganz unabhängig von den klassischen Paradoxien der Bewegung ist also Zeit in einem noch viel tieferen Sinne paradox konstituiert, nämlich als Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen: eine Schildkröte, die Archilles hieß. Diese Paradoxie kann in einem zweifachen Sinne "entfaltet" werden, nämlich zeitlich und sachlich. Zeitlich gesehen gibt es im Gleichzeitigen zunächst weder ein Vorher/Nachher noch eine daran anknüpfende Unterscheidung von Vergangenheit und Zukunft. Entfaltet ein Beobachter die Gleichzeitigkeit mit Hilfe solcher Unterscheidungen, muss er, um seine Operation durchführen zu können, sich auf Gleichzeitigkeit einlassen. Er kann diese Grundbedingungen nicht eliminieren, sondern nur als Struktur seines Unterscheidens übernehmen. Deshalb können Vergangenheit und Zukuft als komplementäre Zeithorizonte nur gleichzeitig gegeben sein. Es handelt sich immer um Horizonte der Gegenwarkt, um eine gegenwärtige Vergangenheit und eine Gegenwärtige Zukunft, wobei Gegenwart nichts anderes ist als die Trennlinie, die Grenze, die die Differenz von Vergangenheit und Zukunft konstituiert. [...] Sachlich gesehen sind "dies und anderes" oder "System und Umwelt" gleichzeitig gegeben. Auch hier markiert die Grenze eine Form, die das Gesamtterrain der Gleichzeigkeit abdeckt, eine Form mit den zwei Seiten "dies" und "anderes" oder "System" und "Umwelt", die als Komponenten der Form gleichzeitig gegeben sind, als Referenz für Bezeichnungen oder als Ausgangspunkt für Operationen aber nur nacheinander benutzt werden können." (Luhmann, Gleichzeitigkeit und Synchronisation, S. 100, 101)
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