Woher kommt das Wort zwei? Vier Mitglieder einer Lebensgemeinschaft im Tier-Mensch-Übergangsfeld suchen an verschiedenen Orten im Wald nach Beeren. Jeder kommt mit einem Ertrag zurück. Mehr wäre besser. Sie vergleichen die Mengen, um so vielleicht den ergiebigsten Platz zu finden oder wer von ihnen der Erfolgreichste ist. Sie stellen ihre Gefässe nebeneinander und ordnen sie nach der Anzahl der Beeren. In einem Gefäss ist eine Beere, im nächsten zwei, im nächsten drei. Sie können noch nicht zählen. Aber sie können sehen, dass es verschiedene Mengen sind. Sie können sie vergleichen, etwa durch Nebeneinanderlegen der Beeren in Reihen. |
Hier nehme ich an, dass sie bereits sprechen können und es auch tun. Mit Mark Twain nehme ich an, dass jeder von ihnen, der eine neue Sache, beispielsweise ein neues Tier sieht, einen Namen wählen darf. Die vier Gefässe mit den Beeren sind keine neue Sache, aber sie unterscheiden sie als verschiedene Sachen, die sie verschieden benennen. Sie wählen beliebig eins, zwei, drei und vier. Sie merken, dass sie nicht die Gefässe, die ja gleich sind, sondern deren Inhalte benannt haben. Da es Beeren sind, die bereits den Namen Beeren haben, erkennen sie, dass sie die jeweilige Anzahl benennen. Jetzt können sie beispielsweise vier Beeren sagen.
Die Einführung dieser Wörter kann auch Redeweisen ersetzen, die davor nötig waren, wenn einer sagen wollte, dass er gleich viele oder mehr Beeren hatte als tags zuvor. Oder wenn er sagte, dass er gleich viele Beeren habe, wie ein anderer am Vortage gehabe oder noch ein anderer zwei Tage vorher. All die Vergleiche sind in den neuen Wörter aufgehoben.
Mit der Anzahl ihrer Finger hat das nichts zu tun, aber natürlich können sie Finger und Beeren neben einander legen und so auch die Anzahl Finger bezeichnen. Die Anzahl ist von der jeweiligen Sache unabhängig. Alles, was sie neben die Beeren legen können, hat eine Anzahl.
Das Feststellen der Anzahl bezeichnen sie als Zählen, also nicht etwa als Anzahlen, was ja auch möglich und nicht ganz willkürlich wäre.
Dann erkennen sie, dass beim Zählen einen impliziten Vergleich durchlaufen. Sie vergleichen die nächste Beerenernte mit jenen, die sie beim ersten Mal benannt haben. Zuerst mit dem ersten Gefäss, dessen Anzahl sie als ein bezeichnet haben, dann mit dem nächsten Gefäss und so weiter. Sie sagen dann: er ist nicht eins, nicht zwei, nicht drei, und erkennen, dass sie dabei eins, zwei, drei durchzählen.
Dann bezeichnen sie ein, zwei, drei als Zahlen, weil sie beim Zählen nicht mehr an die jeweiligen Anzahlen denken. Eins, zwei werden so die Namen von Zahlen. Eins ist keine Zahl, sondern der arbiträr gewählte Namen einer bestimmten Zahl und natürlich auch einer bestimmten Anzahl.
Später merken sie, dass sie oft zählen und das Resultat auch oft aufschreiben. Sie produzieren einen Code. Das ist eine Tabelle, in welcher sie den Zahlwörtern ein anderes Zeichen zuordnen. Statt zwei schreiben sie 2. Dann bedeuten zwei und 2 dasselbe, obwohl es verschiedenen Zeichenkörper sind. Es sind keine Synonyme, sondern Zeichenkörper aus verschiedenen Alphabeten. Hier spielt keine Rolle, weshalb sie einen Code verwenden, sondern nur, dass durch den Code die 2 ein alternativer Namen ist, der anstelle von zwei verwendet wird. Dass sie die beiden so verschiedenen Zeichenkörper mit dem selben Sprechlaut vertonen, mag ihnen zunächst plausibel scheinen, weil als Zeichen beide für dasselbe stehen. Es ist aber natürlich mutwillig, zwei so verschiedenen Artefakte mit demselben Sprechlaut zu codieren.
Die Vertonung impliziert einen weiteren Code, durch welchen einem materiell hergestellten Zeichenköper ein bestimmtes Geräusch zugeordnet wird. Dieser Code ist insofern problematisch, als er sich nicht durch eine Tabelle festlegen lässt. Dass Menschen die hergestellten Zeichen vertont haben, mag praktische Gründe haben. Interessant scheint mir, dass sie später angenommen wurde, die Zeichenkörper repräsentieren Sprechgeräusche. Für das Zählen und die Zahlen spielt aber auch das keine Rolle.
Die Philosophen, die sich noch später mit den Zahlen befasst haben, erzählen nicht nur diese Geschichte nicht, sondern auch keine andere, in welcher tätige Menschen vorkommen.
Wenn ich mich frage, woher das Wort „fünf“ kommt, finde ich in den Quasi-Etymologien der Kindergartenphilosophie alt- oder mittelhochdeutsche Wörter wie fiumf oder finf, was das Problem nur verschiebt, weil dann natürlich die Frage ist, woher diese Wörter kommen. Natürlich kann man die Frage unsinnig finden, weil niemand wissen kann, wie die ersten Wörter auf die Welt gekommen sind. Die Lösung, die Mark Twain vorgeschlagen hat, habe ich erwähnt.
Oft wird eine andere Geschichte erzählt: Die ersten Menschen haben gemäss diesen Geschichten Striche gemacht, für das was sie zählen wollten. Striche konnte sie aber nicht sagen, sie mussten sie als materielle Zeichen herstellen. Immerhin wird so klar, dass die Schrift älter als das Sprechen ist, aber es bleibt natürlich die Frage, wie die Striche dann zu ihren Namen kamen. Warum heisst ein Strich „eins“ und fünf Striche „fünf“? Aber vielleicht wird so der Unterschied klarer, ob man sich mit der vermeintlich unsinnigen Frage eher für „fünf“ oder eher für den Handlungszusammenhang von Begriffen interessiert.