Holzkamp, Klaus: Grundlegung der Psychologie, Campus, 1983
Volltext (lokal)
Eine ausführliche Einführung zu Buch von Stefan Meretz
Anmerkungen:
evolutionär dominant, methodischen Fünfschritt und darin die Frühform
Textstellen:
Der verselbständigte Systemcharakter gesellschaftlicher Verhältnisse als allgemeines Charakteristikum der >gesamtgesellschaftlich< vermittelten Lebensgewinnung ist dabei zu unterscheiden von seiner entfremdeten Form im Kapitalismus, durch welche der gesellschaftliche Prozeß den objektiven Schein einer naturhaften, von den Individuen unbeeinflußbaren Selbstbewegung annimmt. Diese Unterscheidung ist umso wichtiger, als die entfremdete kapitalistische Form des Gesellschaftsprozesses eine besonders hohe Ausprägung des allgemeinen Vergesellschaftungsgrades der Produktion/Reproduktion einschließt und zur Voraussetzung hat, so daß auch die generelle Synthese der Lebensgewinnung
zu einem >in sich< funktionsfähigen Erhaltungssystem erst im Kapitalismus sich voll durchsetzte, also auch erst mit Bezug darauf die allgemeinen Bestimmungen verselbständigter historisch-gesellschaftlicher Kontinuität gewonnen werden konnten (S. 306 FN).
Die kapitalistische Gesellschaft ist die erste eigentliche Gesellschaft, die die Kategorien für alles vorangehenden Verhältnisse liefert und die von K. Marx in einer spezifischen Aufhebung der Klassen kritisiert wird. |
Dieser Prozeß hat in antagonistischen Klassengesellschaften die Form der klassenbedingten Spaltung von Hand- und Kopfarbeit, ist aber dennoch als solcher ein generelles Merkmal der Produktivkraftentwicklung und Vergesellschaftung; dies kann man sich z.B. leicht an der neuen Stufe der automatisierten Produktion klarmachen, in Die subjektive Problematik von Erkenntnis/Wertung/Motivation 309 welcher der Mensch immer weniger >Hand anlegt< und immer mehr als dessen Überwacher und Steuerer aus dem >in sich< funktionierenden Produktionsprozeß heraustritt. Dies führt zwar unter kapitalistischen Bedingungen zu verschärften Formen der Ausbeutung und des >Klassenkampfes von oben<, enthält aber dennoch die darüber hinausgehende Perspektive neuer menschlicher Freiheit und Entwicklung durch Entlastung von der Fron direkter Natureinwirkung (vgl. Projekt A utomation und Qualifikation) (S.308f).
Die in Wahrheit unmenschliche Zurückgehaltenheit auf die Befriedigung unmittelbarer Notdurft erscheint so als hinreichende Existenzgrundlage und der Kampf der Massen um Teilhabe an allen gesellschaftlich möglichen Genüssen und Erfüllungen als Verletzung der (in den Augen des Kapitals) h6chsten Tugend, der Bescheidenheit (in gerade >moderner< Fassung als >Konsumorientierung< , >Anspruchsdenken < , >Maßlosigkeit< des Griffs nach dem, was der herrschenden Klasse selbstverständlich zusteht). >Konsumverzicht<, Asketismus, wie er gegenwärtig in manchen Intellektuellenkreisen >in< ist, stellen - da in einem freiwilligen Entschluß gegründet - lediglich eine Variante der Verfügung über gesellschaftliche Genuß- und Erfüllungsmöglichkeiten durch die herrschende Klasse bzw. die privilegierten Schichten dar: Es ist mithin ideologischer Klassenkampf >von oben< und blanker Zynismus, wenn Konsumverzicht und Asketismus als >allgemeine< Tugenden auch von denen gefordert werden, die dazu keine Alternative haben. >Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral< ist eine Maxime des Sich-Abfindens der Unterdrückten mit ihrer eigenen Verkummertheit, nicht aber eine allgemein-menschliche Reihenfolge (S.310).
So ist etwa beim Verjass en eines Gedichts die darin eingeschlossene antizipierend-regulatorische Operation des >Schreibens< (oder eine äquivalente Operation) zwar unerläßlich, aber vom Handlungsziel her gesehen (mit einem Ausdruck von MARX) >verschwindendes Moment<:
In den gesellschaftlichen Bedeutungszusammenhängen des Gedichts ist die stofflich-sinnliche Operation des Schreibens als sekundär-automatisiertes Hinterlassen von Schriftspuren mittels Bleistift oder Schreibmaschine
auf Papier als besondere Bestimmung nicht enthalten, da man mit der gleichen Operation ja auch Küchenzettel anfertigen oder den Stromverbrauch notieren kann. Umgekehrt erfährt man aus der Analyse der Schreiboperation schlechterdings nichts über auf diese Weise entstandene >Gedichte< im allgemeinen oder ein gerade vorliegendes Gedicht im
besonderen. Demgemäß ist die Schreiboperation hier im Handlungszusammenhang ersetzbar: Man muß das Gedicht ja nicht >aufschreiben<, man kann es auch mündlich weitergeben, auf Tonband sprechen, oder einfach für sich behalten (S.311).
Hier verfehlt K. Holzkamp das >verschwindende Moment< von K. Marx, indem er das Moment (die materielle Schrift) ganz verschwinden lässt |
"Verallgemeinern bedeutet hier also nicht Webabstrahieren, sondern Begreifen von Unterschieden als verschiedene Erscheinungsformen des gleichen Verhältnisses. Dabei fällt das Individuum nicht als blosses Verteilungselement bzw. "Ausnahme" der Verallgemeinerung zum Opfer... " (549)
K. Lewin habe eine subjektwissenschaftliche Empirie entwickelt, sei dann aber wieder hinter sie zurückgefallen sei. (S. 560)