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Isaacs, William: Dialog als Kunst gemeinsam zu denken. Die neue Kommunikationskultur für Organisationen, 2002, ISBN-13: 978-3-89797-011-3, Humanistische Psychologie EHP, Bergisch Gladbach

Inhaltsverzeichnis

Inhalt 6
Zur Reihe EHP-Organisation 8
Vorwort: »A pioneering approach in business and in life« 12
»Man redet und redet, bis das Gespräch beginnt« 13
Dialog als zentraler Prozess in Organisationen 13
Einleitung: Das Feuer des Gesprächs 16
Das Versprechen gemeinsamen Denkens 17
Feuerströme 20
Ein Buch über den Dialog 22
Dialog in allen Lebensbereichen 22
Die drei Sprachen des Buchs 25
I. Teil Was ist Dialog 28
1. Ein Gespräch mit einem Zentrum, aber ohne Parteien 29
Dialog in Aktion 32
Die verlorengegangene Tradition des Dialogs 34
Denken – allein und miteinander 37
Ein Dialog, drei Handlungsebenen 38
Der Aufbau des Buches 44
Die Evolution des Gesprächs 45
Eine Skizze der Gesprächstypen 45
Diskussion und Dialog – ein Vergleich 52
Den Traum beschwören 54
2. Warum wir alleine denken und wie sich das ändern lässt 58
Zur Theorie des Denkens 59
Abstraktion, Fragmentierung und Partizipation 60
Idolatrie, Gedächtnis und Entfaltung 65
Gewissheit, Fließen und Bewusstheit 69
Gewalt, Inklusion und Kohärenz 72
3. Eine zeitlose Form des Gesprächs 76
Glück allein ist nicht genug 77
Wenn Ihnen eine Methode begegnet, weg damit! 78
Die zeitlose Form des Gesprächs 79
Was ist eine Praktik? 84
II. Teil Kapazitäten für neues Verhalten 84
4. Zuhören 86
Zuhören und das Prinzip der Partizipation 88
Zuhören lernen 92
Die Kunst, gemeinsam zuzuhören 100
Übungen für das Zuhören in Gruppen 102
Die dunkle Seite des Zuhörens 104
5. Respektieren 106
Grenzen respektieren 109
Das Kohärenzprinzip 111
Übungen zum Respekt 114
Respekt in Gruppen 119
Praktiken zur Förderung des Respekts in Gruppen 120
Die dunkle Seite des Respekts 121
6. Suspendieren 124
Definition des Suspendierens 124
Die Formen des Suspendierens 128
Das Prinzip der Bewusstheit 130
Biologie und das bewusste Universum 130
Propriozeption 131
Übungen für das Suspendieren 132
Suspendieren in Gruppen 138
Praktiken zur Entwicklung des Suspendierens in Gruppen 139
Die dunkle Seite des Suspendierens 140
7. Artikulieren 142
Selbstvertrauen und Sprache 144
Das Prinzip der Entfaltung 146
Die eigene Stimme finden 148
Artikulation in der Gruppe 151
Übungen für die Entwicklung der kollektiven Stimme 152
Die dunkle Seite des Artikulierens 153
Strukturen erkennen 158
III. Teil Prognostische Intuition 156
8. Handlungsmuster 161
Anwendung der vier Praktiken: 161
Auf der Suche nach der Lücke 161
Die inneren Widersprüche 162
bei der Veränderung von Unternehmen 162
Das Aufspüren von Plädoyer- und Erkundungsmustern 163
Kantors System der vier Akteure 166
Auf die zugrundeliegende Absicht hören 171
9. Überwindung struktureller Fallen 174
Definition der Struktur 174
Diagnose von Strukturfallen 175
Die Sprache des Affekts, des Sinns und der Macht 178
Unterschiede überwinden: Systemparadigmen 182
Mängel und Grenzen offener, geschlossener und randomisierter Systeme 188
Veränderung der Strukturen im Dialog 190
Anwendung der prognostischen Intuition 193
Gesprächsfelder 199
IV. Teil Die Architektur des Unsichtbaren 198
10. Installation des Containers 203
Vier Praktiken und der Aufbau des Containers 204
Die Akustik des Dialogs 207
Die Grenzen des Containers schützen 209
11. Gesprächsfelder 211
Entwicklung und Sackgassen 211
Das Potential des Containers 213
Felder und Container 214
Feld I: Instabilität des Feldes / Höflichkeit im Container 215
Feld II: Instabilität im Feld / Zusammenbruch im Container 221
Feld III: Erkundung des Felds und Entstehung des reflexiven Dialogs 226
Feld IV: Kreativität im Feld: Generativer Dialog 231
Vier verschiedene Qualitäten von Stille und Zeit 237
12. Den Dialog begleiten 240
Begleitende Leitung im 1. Feld 240
Begleitende Leitung im 2. Feld 242
Begleitende Leitung im 3. Feld 244
Begleitende Leitung im 4. Feld 245
13. Die Ökologie des Denkens 247
Definition der inneren Ökologie 247
Implikationen 249
Gruppenmuster 250
Pathologien des Denkens 251
Von der Erinnerung zur Wahrnehmung 252
Reden beeinflusst das Denken 253
Worte zählen 254
Transformation der inneren Ökologie: Die Integration des Guten, Wahren und Schönen 254
Und noch einmal die Fragen: Das Streben nach dem Guten 255
Die drei Sprachen und das Gute, Wahre und Schöne 257
Das Schöne 258
Das Wahre 259
V. Teil Die Erweiterung des Kreises 262
14. Dialog und die New Economy 263
Koordination in Netzwerken 266
Überwindung tiefreichender Differenzen 267
Die Grenzen traditioneller Kommunikationsmodelle überwinden 269
»Ignoranz«-Management 271
Flexibilität für Veränderung 273
15. Dialog in Organisationen und Systemen1 276
Die Problematik programmatischer Veränderung 276
Der dialogische Veränderungsansatz 277
Suspension und strategischer Dialog: Raum für neue Perspektiven 279
Achtung vor der Systemökologie. 280
Shell: Allianzen und vernetzte Gemeinschaft 280
Die Bedeutung des Zuhörens 284
für die Produktentwicklung bei Ford 284
Aufforderung zu Sprechen: Ikea und Volvo 289
Skizze eines dialogischen Ansatzes 291
16. Dialog und Demokratie 294
Die Gewalt der Sprache: 295
Food Lion prozessiert gegen die Medien 295
Aufbau eines Containers für dialogische Beziehungen: Die Initiative von Den Haag 300
Die Rückkehr zur Höflichkeit: Ein Wochenendseminar des Kongresses der Vereinigten Staaten 303
Gefängnisdialoge: Die Transformation der Erinnerung 307
17. Ganzheit ernst nehmen 313
Ein Weg zur Ganzheit 314
Die Integration des Schönen: Das Herz ist analog 314
Umdeutung des Guten: Die Macht des Kreises 318
Die Wahrheit sagen: Eine neue Sprache der Ganzheit 321
Jenseits der Mustersprache 324
Metalog 325
Die zweite Unschuld 326
Anhang: Diagramme 328
David Kantors System der vier Akteure 328
Kapazitäten für neues Verhalten 329
Kernprinzipien des Dialogs 330

Links

dialog im aktsaal
Der Dialog im Dialog
Dialog im Lexikon

Leseprobe

III. Teil Prognostische Intuition (S. 156-157)

Im Nachhinein schien die Katastrophe vorprogrammiert, aber die amerikanische Außenministerin Madeleine Albright konnte nicht wissen, was auf sie zukam, als sie im Herbst 1997 im Rathaus von Columbus, Ohio, an einem Bürgerforum teilnahm, um die Gründe der Clinton-Adminstration für die Bombardierung Iraks zu erläutern. Aber die amerikanische Außenministerin fand sich vor einem Publikum wieder, das jedes ihrer Worte angriff. Später sagten die Veranstalter, das Weiße Haus hätte sich mehr Gedanken über die Geschichte, die Proteste gegen den Krieg und die Anti-Vietnamkriegs-Demonstration an der Kent State University machen müssen. Andere führten das Desaster auf Organisationsmängel zurück oder glaubten, Präsident Clinton wäre besser selbst gekommen. Er hätte den Professor, der sich angegriffen gefühlt hatte, nicht beleidigt, sondern in die Arme geschlossen, die johlenden Studenten beruhigt, die Zwischenrufer angehört, ohne ihnen Zugeständnisse zu machen. Aber der Zeitpunkt für öffentliche Auftritte Clintons war wegen der Levinsky-Affaire ungünstig, und im Nachhinein spricht einiges dafür, dass die Feindseligkeit des Publikums auch ihn getroffen hätte.Ein Auftritt Clintons in Columbus wäre selbst dann kontraproduktiv gewesen, wenn es ihm gelungen wäre, das Publikum »unter Kontrolle zu bringen«, denn ein Mann mit seinen Fähigkeiten kann trotz aller guten Absichten und ohne es zu wollen auch verdecken, dass die Menschen im Grunde eben nicht zusammen kommen, sondern nur der Autorität oder dem Charisma gehorchen. Das kann zum Ersatz für die Bewusstheit und die harte Arbeit des gemeinsamen Denkens werden, bei der man die eigenen Positionen suspendieren und dem zuhören muss, was die anderen zu sagen haben. Dass Madeleine Albright niedergebrüllt wurde, als sie die Notwendigkeit weiterer Bombardierungen des Iraks zu erklären versuchte, kam für alle unerwartet. Noch überraschender aber war die Tatsache, dass die Behörde ein »Bürgerforum « als geeignete Bühne akzeptiert hatte, um ihre Botschaft zu erklären und zu »verkaufen«. Dass das Bürgerforum ein Ort des freien Gedankenaustausches ist, an dem man einander zuhört und gemeinsam nachdenkt, wurde anscheinend übersehen.

In New England gibt es diese relativ seltene Form der Demokratie bis heute. In den Kleinstädten, in denen die jährliche Bürgerversammlung immer noch stattfindet, nimmt buchstäblich jeder teil, auch wenn nur die Bürger der Stadt abstimmen können. In Hanover, New Hampshire, wo ich das College besuchte, waren die Bürgerversammlungen für uns faszinierend und erheiternd zugleich, sie erschienen uns so altmodisch. Natürlich waren auch diese Versammlungen sehr gut vorbereitet und die Ergebnisse abgesprochen, aber trotzdem wurden hier Dinge öffentlich gesagt und offen debattiert, die normalerweise unter den Teppich gekehrt worden wären. Die Grundstruktur wahrer demokratischer Partizipation war immer noch vorhanden, auch wenn die Durchführung nicht immer optimal war. Im Großen und Ganzen aber haben wir den Respekt vor solchen öffentlichen Foren verloren – gerade weil sie fast immer einseitig sind oder dazu führen, dass man sich gegenseitig niederbrüllt. Nach Meinung vieler ist das aber nicht unbedingt negativ, denn, so sagen sie, wäre Madeleine Albright nicht niedergeschrieen worden, hätten wir von der Stimmung im Land nichts erfahren. Außerdem seien Konflikte spannend und dazu oft auch unvermeidlich und notwendig. Gegen Unsinn müsse man sich eben wehren. So gesehen, hatte das Bürgerforum seine Aufgabe erfüllt: Die Differenzen traten klar zu Tage, alle hatten etwas gelernt und man hatte die Politik beeinflusst.

Andererseits scheint das menschliche Gesprächsrepertoire aber auch geradezu schockierend begrenzt. Wenn der Druck zu groß ist, haben wir häufig kein anderes Mittel als den Streit zur Verfügung. Der öffentliche Diskurs beschränkt sich fast immer auf Diskussion statt Dialog, und die generelle Haltung ist die des Vorwurfs, nicht des Nachdenkens oder der Verantwortung. Das Ergebnis ist meist, dass die Beteiligten solche Foren ablehnen. Sie lernen nichts über das, was sie hätten anders machen können, was ihr Anteil an den Ergebnissen war oder was sie beim nächsten Mal ändern könnten, sondern werden nur in ihrer Fragmentierung und Getrenntheit bestärkt.


 
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