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Luhmann, Niklas: Die Realität der Massenmedien. 2., erweiterte Auflage, Westdeutscher Verlag: Opladen 1996

Volltext

"Dessen Radikalität soll in der Beschränkung auf die Idee, auf das Subjekt, auf den Zeichengebrauch bestehen. Aber das ist eine schon logisch unmögliche Position. Man kann im Gebrauch von Unterscheidungen wie Idee/Realität, Subjekt/Objekt oder Zeichen/Bezeichnetes nicht die eine Seite der Unterscheidung aufgeben, ohne auf die Unterscheidung selbst zu verzichten.« (RM 16, Fußnote 7)

"Die primäre Realität liegt [...] nicht in ›der Welt draußen‹, sondern in den kognitiven Operationen selbst, weil diese nur unter zwei Bedingungen möglich sind, nämlich dadurch, daß sie ein sich selbst reproduzierendes System bilden, und dadurch, daß dieses System nur beobachten kann, wenn es zwischen Selbstreferenz und Fremdreferenz unterscheidet" (17 f.).

"Die Realität der Massenmedien, ihre reale Realität könnte man sagen, besteht in ihren eigenen Operationen" (12).

"Man kann aber noch in einem zweiten Sinne von der Realität der Massenmedien sprechen, nämlich im Sinne dessen, was für sie oder durch sie für andere als Realität erscheint" (14).

"Der Konsument reagiert, ob er kauft oder nicht, gleichsinnig mit anderen, ohne dass dazu eine direkte Imitation anderer erforderlich wäre. Auch das hängt damit zusammen, dass es keine überzeugende Oberschicht mehr gibt, an der man ablesen könnte, was 'geht' und was 'nicht geht'. Eher ist es umgekehrt, dass die Oberschicht sich selbst in dem, was sie begehrt und für vorzeigenswert hält, nach dem Geschmacksdiktat der Werbung richtet." (S. 90)


Die Realität der Massenmedien Die Realität ist so hinzunehemen, wie sie von den Massenmedien präsentiert wird und, auf sich selbst aufbauend, reproduziert wird. Diese Überlegungen stehen im Zentrum der Kommunikationstheorie, wie sie der Sozialwissenschaftler Niklas Luhmann formuliert hat." Wolfgang Hagen im Gespräch mit Niklas Luhmann


Konstruktivismus 16 ff., 137, 138 ff., 158 ff. Kopie 114 f.

Kopplung, strukturelle 29, 122 ff., 127, 136, 191, 195, 205

„Chaostheorie" und Ähnlichem reden, methodologisch immer noch auf der Suche nach „der" Realität zu sein (138)

Wir optieren damit, hier wie auch in der Erkenntnis theorie 8, für operativen Konstruktivismus. Konstruktivistische Theorien behaupten, daß kognitive Systeme nicht in der Lage sind, zwischen Bedingungen der Existenz von Realobjekten und Bedingungen ihrer Erkenntnis zu unterscheiden, weil sie keinen erkenntnisunabhängigen Zugang zu solchen Realobjekten haben. Die ser Defekt kann zwar auf der Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung, der Beobachtung von kognitiven Operationen anderer Systeme korrigiert werden. Man erkennt dann, wie deren „frames" ihre Erkenntnis formen. Aber das führt nur zu einer Wiederholung des Problems auf der Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung. Auch Beobachter anderer Beobachter können die Bedingungen der Existenz dieser Beobachter nicht unterscheiden von den Bedingungen des Erkennens, daß es sich um bestimmte, sich selbst konditionierende Beobachter handelt. (S. 17)

8 Siehe ausführlicher Niklas Luhmann, Erkenntnis als Konstruktion, Bern 1988; ders., Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt 1990. ----

Der operative Konstruktivismus bezweifelt keineswegs, daß es eine Umwelt gibt. Sonst hätte ja auch der Begriff der Systemgrenze, der voraussetzt, daß es eine andere Seite gibt, keinen Sinn. Die These des operativen Konstruktivismus führt also nicht zu einem „Weltverlust", sie bestreitet nicht, daß es Realität gibt. Aber sie setzt Welt nicht als Gegenstand, sondern im Sinne der Phänomenologie als Horizont voraus. Also als unerreichbar. (18)

Es mag durchaus sein, daß verschiedene Beobachter dann den Eindruck haben, Dasselbe" zu erkennen und daß Transzendentaltheoretiker sich dies nur durch die Konstruktion transzendentaler Aprioris erklären können - dieser unsichtbaren Hand, die Erkenntnis trotz Individualität in Ordnung hält. Aber in Wirklichkeit ist auch dies eine Konstruktion, denn es geht nun einmal nicht ohne die jeweils systemspezifische Unterscheidung von Selbstreferenz und Fremdreferenz. (19)

Was mit „Realität" gemeint ist, kann deshalb nur ein internes Korrelat der Systemoperationen sein - und nicht etwa eine Eigenschaft, die den Gegenständen der Erkenntnis zusätzlich zu dem, was sie nach Individua lität oder Gattung auszeichnet, außerdem noch zukommt. Realität ist denn auch nichts weiter als ein Indikator für erfolgreiche Konsistenzprüfungen im System. Realität wird systemintern durch Sinngebung (besser im Englischen: sensemaking) erarbeitet. Sie entsteht, wenn Inkonsistenzen, die sich aus der Beteiligung des Gedächtnisses an den Systemoperationen ergeben können, aufgelöst werden - zum Beispiel durch Konstruktion von Raum und Zeit als Dimensionen mit verschiedenen Stellen, an denen unterschiedliche Wahrnehmungen oder Erinnerungen lokalisiert werden können, ohne miteinander in Konflikt zu geraten. Wenn Realität in der Kommunikation ausdrücklich betont wird („real" lemon, ein „wirkliches" Erlebnis), so ist damit zugleich betont, daß Zweifel möglich und vielleicht sogar ange bracht sind. Je komplexer ein System wird und je stärker es sich Irritationen aussetzt, um so mehr Varietät kann die Welt zulassen, ohne an Realität einzubüßen; und um so mehr kann das System es sich leisten, auch mit Negationen, mit Fiktionen, mit „nur analytischen" oder mit statistischen Annahmen zu arbeiten, die von der Welt, wie sie ist, distanzieren. (19f)
[ das ist ziemlich genau EvG, ohne ihn zu zitieren ]


[Wolf DoleysLuhmann-Gruppe]