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Luhmann, Niklas (1992): Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt, Suhrkamp-Tb. Wissenschaft, ISBN 3-518-28601-3

Anmerkungen:

Technologie/Wissenschaft siehe unten S. 266

Merton kommt ein paar Mal vor, aber middle range theory ist kein Thema, wenn man davon absieht, dass N. Luhmann vielleicht sogar Parsons Theorie dazu zählt und meint, dass das in seiner Big-Theorie nicht aus- sondern eingeschlossen sei.

Was Luhmann für die gewöhnliche erkenntnistheoretische Haltung "unter Philosophen« hält, wird an einer anderen Stelle deutlich:

"Es mag sein, daß die Philosophie ihr Mitspracherecht nur dadurch begründen kann, daß sie erkenntnistheoretische Fragen als Vorfragen behandelt, die geklärt sein müssen, bevor man mit wissenschaftlichen Fragen beginnt; oder auch als Fragen, die nicht ihrerseits durch empirische Untersuchungen geklärt werden können" (7 f.).

Textstellen

"Ungeachtet aller spezifischen Theorieannahmen (Bewußtsein, Vernunft, Subjektivität betreffend) kann man eine Theorie als transzendental charakterisieren, wenn sie nicht zuläßt, daß die Bedingungen der Erkenntnis durch die Ergebnisse der Erkenntnis in Frage gestellt werden. [...] Als empirisch oder naturalistisch kann man dagegen Erkenntnistheorien bezeichnen, wenn sie für sich selbst im Bereich der wissenswerten Gegenstände keinen Ausnahmezustand beanspruchen, sondern sich durch empirische Forschungen betreffen [...] lassen" (13).

"Fast koentte man daher auf die Subjektauffassung "der Beobachter" verzichten, und nur von "Beobachten" bzw. "Beobachtungen" sprechen. [...] aber im Effekt understellt man fuer das, was man als Beobachten (und folglich: Wissen) bezeichnet, nach wie vor nur eine einzige Systemreferenz: den Menschen."

"Dagegen ist und bleibt Kommunikation immer das Prozessieren einer Unterscheidung als Unterscheidung – und zwar der Unterscheidung von Information und Mitteilung." (S. 20f)

"Operationen sind Ereignisse, die mit ihrem Vorkommen schon wieder veschwinden und nicht wiederholt werden können. Operationen sind zeitpunktmarkierte (datierte) Ereignisse, denen nur andere Ereignisse folgen können. Das heisst nicht zuletzt, dass Ereignisse nur als Differenz beobachtet werden können, also nur im System eines Vorher und Nachher, durch das sie produziert und identifiziert werden. Sie gewinnen keinen Bestand, sie zerrinnen sofort [..]" (37) [[soviel zu Temporalität in irgendeinem Original. Wie kann man sowas auflösen? N. Luhmann macht im gleichen Original nathlos folgende Fortsetzung:]]
"aber die Erinnerung an sie kann die ursprüngliche Differenz vergessen und das Ereignis mit anderen nichttemporalen Unterscheidungen memorieren als ein Ereignis bestimmter Art, das sich von ähnlichen und anderen unterscheidet."
[[Dabei ist nicht mehr von Operationen, sondern von Erinnerungen die Rede. Nämlich (steht in diesem Original):]] "Will man Ereignisse wiederholen (was im vollen zeitgebundenen Sinne unmöglich ist), muss man ihren Sinn generalisieren, von der Zeit abstrahieren, muss sie reproduzieren ....."

"Solche Kopplungen zwischen System und Umwelt sind kompatibel mit der selbstreferentiellen Geschlossenheit des Systems. Sie sind deshalb kompatibel, weil die strukturelle Kopplung die Ereignisse, die sie erfaßt, nicht spezifiziert, sondern dies dem System überläßt. [...] Das setzt auf der Seite der Umwelt Diskontinuitäten voraus, die ihrerseits auf autopoietischen Systembildungen beruhen können, aber auch anders, zum Beispiel physikalisch, fundiert sein können" (40).

"Denn nur ueber dies strukturelle Kopplung is das dafuer erforderliche Kombinationsniveau von Unabhaengigkeiten und Abhaengigkeiten zu gewaehrleisten." Structural coupling in Maturana's sense does not allow for not-coupling. Language does structures the coupling operation. (47) " ... Sprachformen, nämlich die Worte, ..." (p. 48) ..., indem es (Sprach als Nichtsystem) die strukturelle Kopplung der beiden Systemarten ermoeglicht." Thus, it is not itself the structural coupling". "Die Sprache distanziert Bewusstsein und Kommunikation gerade dadurch, dass sie deren strukturelle Kopplung automatisiert" (p. 51)

Sprache ists kein System von Zeichen für aussersprachliche Sachverhalte. (...) Gewiss: sprachliche Ausdrucksweisen, Worte und Sätze können als Zeichen verwendet werden - so wie andere Gegenstände auch. Aber eine solche Verwendung ist sekundär und für sprachliche Kommunikation keineswegs konstitutiv. Sie setzt, bei gelegentlichen Gebrauch, funktionierende Sprache bereits daraus, wobei funktionierende Sprache heisst: sprachliche Kommunikation, die weitere Kommunikation ermöglicht. Jede andere Auffassung würde eine Hypertrophie bezeichneter Realitäten, negative Gegenstände, Abstract der Gegenstände usw. annehmen müssen. Es genügt voll auf, zu sagen, dass die Sprache in der Benutzung als Sprache und sodann in der Beobachtung von Sprache durch einen Beobachter konkret existiert. Sprache ist ein Moment der Autogenes ist von Kommunikation und, mehr beiläufig, auch ein Moment der Leser ist vom Bewusstsein. Sie ermöglicht die Konstruktion einer Welt, die aber als Konstruktion ihre Realitätsbasis nur den in Operationen selber hat. Ihre eigene Realität besteht nicht darin und ist nicht abhängig davon, dass sie als Zeichen für etwas anderes, wirklich Reales dient. Ihre eigene Realität besteht darin, dass der Gebrauch beobachtet werden kann. (51)

Diese Überlegungen lässt im übrigen, gleichfalls als Nebeneffekte erkennen, was die Funktion älterer Darstellungen vom Erkenntnis als Abbild gewesen war, sei sie nun bezogen auf den Menschen wie bei Platon und Aristoteles, sei sie bezogen auf Bewusstsein oder Kommunikation oder Sprache. Mit dem Begriff des Abbildes wird die Bezeichnung des Bezeichneten ihre Willkür entledigt. A n die Stelle der willkürlichen Zuordnung tritt eine Ähnlichkeitsbeziehung. Erkenntniswert als assimilatio verstanden. Insoweit interessiert dann nicht mehr, wer diese Zuordnung vorgenommen hat, wer sie "konstruiert" hat, sondern nur noch das in der Aehnlichkeit zum Ausdruck kommende Gemeinsame, der in der Ähnlichkeit zum Ausdruck kommende Weltsachverhalt. Die Abbildtheorie instruiert uns, den Essenzkosmos zu beobachten, also das, was Erkenntnissen und Gegenstand als eine Art Rationalitätskontinuum zusammenhält. Die Ablehnung der Abbildtheorie zwingt uns dagegen, den Beobachter zu beobachten, und die Frage "was" abhängig zu machen, von der Frage "wie". (52f)

The word "Beobachter" is used on p. 66 after a discussion about the different systems theories which are possible following decisions about how to indicate the distinction System/environment. He concludes: "Der reduktionistische Zweig dieses Ansatzes waere folgligh als Kommunikationstheorie auszuarbeiten, zum Beispiel mit Hilfe der Unterscheidung vor (Kommunikation als) Operation und (Kommunikation als) als Beobachtung, der holistische dagegen als Gesellschaftstheorie, zum Beispiel mit Hilfe der Unterscheidung von Differenzierungsformen des Gesellschaftssystem."
( In SoSy (84), Luhmann was even more critical about the use of the concept Beobachter which he attributes there to Von Foerster. )

"Aber schon Unterscheidungen wie die von Erkenntnis und Gegenstand, von signifiant und signifié, von Erkennen und Handeln, sind ja Unterscheidungen, also Operationen eines Beobachters. Die Theorie des operativen Aufbaus von Formen muß also vor allen diesen Unterscheidungen ansetzen. Die erste Unterscheidung ist die Beobachtung selbst, unterschieden durch eine andere Beobachtung, die wiederum selbst, für eine andere Beobachtung, die erste Unterscheidung ist" (73).

"Konsequenz, die quer steht zu wichtigen Annahmen der Tradition: daß das Beobachten die Welt, in der beobachtet wird, verändert. [...] Oder mit einer nochmals anderen Formulierung: die Welt kann nicht von außen beobachtet werden, sondern nur in ihr selbst, das heißt: nur nach Maßgabe von (zum Beispiel physischen, organischen, psychischen, sozialen) Bedingungen, die sie selbst bereitstellt" (75).

"Trotz des Abstraktionsgrades des Begriffs ›Beobachten‹ ist das, was er bezeichnet, als eine empirische, also eine ihrerseits beobachtbare Operation gemeint" (75).

„Sobald man die Einheit einer Form (in Unterscheidung von den durch sie unterschiedenen zwei Seiten) beobachten, also unterscheiden will, gelangt man vor die Frage, warum gerade diese (und keine andere) Unterscheidung gewählt wird [...]“ (S. 79, 80)

„Die Operation des Beobachtens ist immer (und das muss, wer immer sie beobachtet, von den zwei Seiten ihrer Unterscheidung unterscheiden) die Einheit der zwei Komponenten Unterscheiden und Bezeichnen. Dies „Unterscheiden-und-Bezeichnen“ ist ein Anwendungsfall eines sehr viel allgemeineren Mechanismus, den man als „Überschussproduktion-und-Selektion“ bezeichnen könnte. Das Un- terscheiden postuliert mehr Möglichkeiten als nur die, die dann bezeichnet wird.“ (S. 81)

"Der reale Vollzug dieser Operation des Unterscheidens und Bezeichnens erzeugt eine Form, nämlich das, was geschieht, im Unterschied zu dem, was nicht geschieht." (S. 82)

"Alles, was beobachtet wird, ist mithin abhängig von der Unterscheidung, die der Beobachter verwendet. [...] Dieser Unterscheidungsrelativismus gilt vor allem Systemrelativismus, der seinerseits davon abhängt, daß dem Beobachten die Differenz System/Umwelt zu Grunde gelegt wird" (82).

"Das Beobachten ist der operative Vollzug einer Unterscheidung durch[!] Bezeichnung der einen (und nicht er anderen) Seite. Es ist nichts weiter als dieser operative Vollzug." (S. 84)

Was für Beobachten im allgemeinen gilt, gilt auch für wissenschaftliches Beobachten. Gewiß, man kann die Unterschiede zwischen alltäglicher Kommunikation und wissenschaftlicher Kommunikation scharf herausarbeiten. Das wird uns im folgenden beschäftigen. Zuvor muß aber geklärt werden, worin die Grundlage des Vergleichs besteht; und genau dazu dient uns die Theorie (die wissenschaftliche Theorie!) der Beobachtung zweiter Ordnung.[49], S.101f [49[ Wir verzichten damit also auf die Fortsetzung einer Traditionslinie, die Husserl begonnen und Schütz fortgesetzt hat, nämlich Lebenswelt und Wissenschaft zu unterscheiden, wobei Lebenswelt aus einem transzendentaitheoretischen Korrelat mehr und mehr zu einem Austauschbegriff für Alltagswelt oder für funktional nicht spezifiziertes Erleben und Handeln geworden ist. Wir setzen diese Traditionslinie nicht fort, weil ihr gerade das fehlt, was wir suchen, nämlich eine elaborierte Begrifflichkeit für die Einheit der Differenz. Ähnliche Probleme habe ich mit der Neigung von Jürgen Habermas, instrumentelles Wissen und praktisches Wissen oder Technik und Interaktion oder später System und Lebenswelt zu unterscheiden und dann nur noch für die eine Seite zu optieren, der anderen ihre Notwendigkeit zugestehend. Siehe vor allem Erkenntnis und Interesse, Frankfurt 1968. In all diesen Fällen wird nicht zureichend reflektiert, daß man beobachten kann, von welcher Unterscheidung ein Beobachter ausgeht.

Man kann Begriffe wie Handeln (oder: Erleben, Beobachten, Beschreiben, Kommunizieren etc.) so definieren, daß als Urheber ein Mensch mitgemeint sein muß oder andernfalls der Begriff falsch verwendet Wird. Aber dann wird der Beobachter wieder fragen: wer definiert so ? Und er wird vielleicht zu dem Ergebnis kommen, daß diese Definition für Alltagszwecke tauglich ist, aber in der Wissenschaft wichtige Einsichten und vor allem den Zugang zu strukturreicheren Theorien blockiert. (Und natürlich muß dies Argument die »autologische« Konsequenz einrechnen, die dazu führt, daß man fragen kann: wer fragt das ?)
...
Das Konzept des Beobachter beobachtenden Beobachters ist unabhängig von all diesen alt- oder neueuropäischen Traditionen entstanden und formuliert das Problem der Sozialität auf ganz andere Weise. Zunächst geht es um ein operatives Beobachten von Beobachtungen, also um ein Unterscheiden, das unterscheidet, was und wie andere unterscheiden (Luhmann:WdG, 112)

"Wir müssen uns jetzt nur noch genauer klar machen, dass die Unterscheidung sowie das operative Dual von Unterscheiden/ Bezeichnen in der Beobachtung als Einheit fungieren, aber nicht als Einheit bezeichnet (beobachtet) werden können, weil dies eine weitere Beobachtung erfordern würde, die eine andere Unterscheidung heranführt." ((S. 92)

implizites Wissen (S.41ff und S. 122 ff.)

“Die Textproduktion wird zum Sekundärziel der Bemühungen um die Vermehrung des Wissens. Dabei hilft die Fiktion, daß der Text selbst schon Wissen sei. Das sich befassen mit Texten wird dann, in Kommunikation gesetzt, wie ein Sichbefassen mit Wissen behandelt. Was einst Philosophie war, verkommt so zu bloßer Expertise in der Behandlung philosophischer Texte, und Philosophen werden zu Philosophieexperten.” (S. 149)

Daraus ergibt sich in der Wissenschaftstradition eine verwirrende Doppelterminologie von wahr/unwahr und richtig/falsch. Wir wollen diese Unterscheidungen unterscheiden und beziehen die Unterscheidung wahr/unwahr auf den Code des Systems, die Unterscheidung richtig/falsch dagegen auf die Regel der Verfügung über die Codewerte positiv/negativ.4 7 Wir nennen diese Regeln Programme (was zum Beispiel auch Unternehmensinvestitionen, Rechtsgesetze, politische Programme einschließt) und nennen Programme des Wissenschaftssystems (Forschungsprogramme) Theorien bzw. Methoden. Darüber später mehr.(S. 197)

Mit all dem spielt »Konstruktion« und genaue Analyse des »Wie« der erkennenden Operationen eine viel größere Rolle als früher und ersetzt mehr und mehr die Frage nach dem »Was« der Erkenntnis. Die Steigerungslinien, die sich gegenwärtig abzeichnen und die Wissenschaft und Technologie immer enger zusammenschließen, entsprechen genau diesem Muster. Sie folgen einer Logik der Evolution, nicht einer Logik der immer besseren Anpassung des Systems an seine Umwelt. Sie widersprechen keineswegs einer Ausdifferenzierung des Wissenschaftssystems und auch nicht der selbstreferentiell-geschlossenen Operationsweise dieses Systems. Sie schließen nur 149 So Kreibich, a.a.O., S. 332, gegen eine vermeintlich dies empfehlende Meinung.
150 Vgl. für einen Überblick Francisco J. Varela, The Science and Technology of Cognition: Emerging Trends, vervielfältigt, Paris 1986. 26j Funktion und Leistung enger zusammen und nehmen, unübersehbar, Organisation in Anspruch, um Themenselektion und Arbeitsprioritäten zu steuern.
151 Daraus kann jedoch nicht auf »Entdifferenzierung« geschlossen werden; es ist, im Gegenteil, gerade die Differenz der Godes, auf der diese Steigerungsleistung beruht. Und es ist die Schließung des Systems, auf der Ebene der Gesellschaft wie auf der Ebene des Funktionssystems für Wissenschaft, die eine solche, heute ins Riskante ausgreifende Steigerung des Auflöse- und Rekombinationsvermögens ermöglicht. Diese Überlegungen wirken sich auch auf den Begriff der Technik aus. Traditionell war dieser Begriff auf Handlungsmöglichkeiten bezogen. Damit wurden Wahlfreiheit und Nutzenkalkulation betont. Das soll nicht in Frage gestellt werden. Wir lenken die Aufmerksamkeit nur auf einen anderen Aspekt. Wenn Technik nicht nur Mittel zum Zweck ist, sondern vor allem artifizielle (aber ausprobierte und bewährte) Simplifikation, spielen nicht nur die dispräf erierten und deshalb nicht realisierten Möglichkeiten eine Rolle wie bei normalem Handeln (Man heiratet nicht und ist dann eben nicht verheiratet); sondern als Vorbedingung für Instrumentalisierung liegt in der Simplifikation vor allem die Ausschaltung der Beachtung größerer Komplexität, die trotzdem real bleibt und auf ihre Weise trotzdem wirkt. Dies Problem ist unter Begriffen wie Heterogonie der Zwecke (Wundt) oder nichtantezipierte Nebenfolgen (Merton) wohlbekannt. Man muß aber zusätzlich beachten, daß das, was vom Standpunkt des Handelnden als Nebensache erscheint, vom Standpunkt des Systems zur Hauptsache wird - besonders bei längerfristiger Betrachtung. Daher sieht sich die moderne Gesellschaft, vor allem in ökologischen Kontexten, nicht nur der Frage konfrontiert, ob mit Technik bessere Nettobilanzeffekte zu erzielen sind als ohne Technik, sondern zunehmend mehr auch der Frage, wieviel funktionierende Simplifikation man sich 1 5 1 Das dürfte es auch nahelegen, die organisatorische Trennung von reiner Wissenschaft und Technologie, die im 19. Jahrhundert für sinnvoll angesehen wurde, allmählich aufzugeben. Die Universität von Tokyo scheint im übrigen die erste gewesen zu sein, die unter Einschluß einer technologischen Fakultät gegründet wurde. 266 leisten kann, wenn damit zu rechnen ist, daß die Welt trotzdem fortbesteht.

Wahrheit ist demnach keine Eigenschaft von irgendwelchen Objekten oder von Sätzen oder von Kognitionen (über die man dann gegebenenfalls im Irrtum sein könnte), sondern der Begriff bezeichnet […] einen Bereich von unwahrscheinlichen Möglichkeiten, in dem Kommunikation unter Sonderbedingungen sich autopoietisch organisieren kann. S. 173)

Im Moment steht eine theoretische Neukonzipierung des Verhältnisses von Wissenschaft und Technologie noch aus, und die einschlägige Forschung orientiert sich zu stark an den historisch eingebürgerten Bezeichnungen, vor allem an dem angelsächsischen Sprachgebrauch. Eine aussichtsreiche Perspektive könnte es sein, das Verständnis von Technologie mit dem konstruktivistischen Wissenschaftskonzept zu verbinden. Technologie wäre dann all das, was man im Gegebenem mit erkennbaren Fehlern oder Störungen oder Ersatznotwendigkeiten funktionieren lassen kann auch dann, wenn die Welt, in der dies geschieht, »an sich« unbekannt bleibt. Technologien wären diejenige Auswahl aus praktisch unendlichen kombinatorischen Möglichkeiten, die man durch Steigerung des Auflösevermögens der Wissenschaft gewonnen hat und von denen aus man dann Vermutungen über die Welt, wie sie ist, konstruiert. So neu ist dieser Gedanke nicht. Er radikälisiert nur, was sich bei Bacon, Locke, Vico und anderen bereits findet. WisdG, 267

"Die Ausdifferenzierung verändert auch das System der Gesellschaft, in dem sie stattfindet, und auch dies kann wiederum Thema der Wissenschaft werden. Das allerdings ist nur möglich, wenn man ein entsprechend komplexes systemtheoretisches Arrangement zugrundelegt. Es bleibt dabei: die Wissenschaft kommuniziert nur das, was sie kommuniziert; sie beobachted nur das, was sie beobachtet, und nur so, wie sie beobachtet. Das gilt auch, wenn sie Fragen des sie umfassenden Gesellschaftssystems behandelt. Behandelt sie die Gesellschaft als differenziertes System, kann sie aber zugleich sich selbst behandeln-sich selbst als ein Subsystem dieses Systems. Sie kann sich, mit diesen ihren eigenen Vorgaben, so betrachten, als ob sie von außen wäre, und sich auf diese Weise mit anderen Subsystemen des Gesellschaftssystems vergleichen." (340)

Ist der Unterscheidungsbereich [...] einmal festgelegt, kann man Bezeichnungen auch festhalten und die Gegenbegriffe, also die Unterscheidungen, austauschen, innerhalb derer sie die eine und nicht die andere Seite bezeichnen. (S. 377)

Daher kann "ein geläufiges Wort, eine (zunächst als solche eingeführte) Metapher, eine Definition [...] als Startmechanismus dienen und behält über den 'anchoring effect' (auch ein Begriff-im-Werden) einen Dauereinfluß auf die Erfahrungen, die der Begriff ermöglicht und anzieht. Aufgrund der dann folgenden Arbeitserfahrungen bekommt der Begriff aber durch Absorption situativer Unterschiede und leichter Anomalien einen nicht mehr definitorisch beschreibbaren Sinn, den nur Kenner richtig und grenzbewußt handhaben können." (S. 384f.)

Unser Antwortvorschlag wird in der notwendigen Abstraktionslage liegen und lauten: Theorien leisten eine asymmetrische und Methoden eine symmetrische Konditionierung. Theorien leisten eine (stets natürlich interne) Externalisierung der Referenz der Operationen des Systems. Methoden haben es mit dem Code des Systems, also mit der zirkulären Bestimmtheit von Wahrheit und Unwahrheit zu tun. Beide Formen der Konditionierung müssen sich Limitationalität beschaffen, denn in sich selbst ist das Externum ja ebenso unbestimmt gegeben wie der Zirkel. Wir müssen also genauer angeben können, wie Theorien und wie Methoden Limitationalität einführen, und zwar in der unterschiedlichen Weise der Asymmetrisierung (Externalisierung, Öffnung) und der Symmetrisierung (Code-Referenz, Schließung) der Operationen des Systems. In beiden Fällen geht es also auch, aber in je unterschiedlicher Weise, um die Entparadoxierung des Systems, nämlich um die Frage, wie man Unbestimmtes als bestimmt behandeln und Selbstreferenz enttautologisierenkann. (405f)

Man kann die Qualitätsanforderungen an Theorien, die sich unter derart wechselnden Bedingungen zu bewähren haben, in der Forderung zusammenfassen, die Theorie solle etwas »erklären «. Das kann im hier vorgeführten Kontext aber nicht heißen, daß die Theorie die Kausalverhältnisse der wirklichen Welt zu entdecken und die vorgefundenen bzw. noch zu erwartenden Tatsachen darauf zurückzuführen habe. Erklärung soll zunächst nichts weiter heißen als: Reformulierung mit dem Zugewinn besserer Anschlußfähigkeit und höherer Eigenkomplexität des Wissenschaftssystems. Kausalerklärungen und Prognosefähigkeit sind damit nicht ausgeschlossen, sondern einbegriffen. (S. 410)

Man sieht dies besonders an dem Theoriedesaster, das die Soziologie als Folge der Einführung der sogenannten empirischen Methoden erlebt hat. Auflösung in Daten und Rekombination mit Hilfe neu entwickelter Methoden der Datenanalyse haben hier das in der soziologischen Klassik erreichte Theorieniveau zerstört, ohne adäquaten Ersatz zu schaffen. Auch die Auflösungsleistung der sogenannten Handlungstheorie hat dazu geführt, daß eine Mikro/Makro-Differenz mit unlösbaren Folgeproblemen entstanden ist. Ahnliches hat die analytische Philosophie erlebt. (S. 419)

Anders als im groszen Roman der Philosophie, anders als in der Phänomenologie des Geistes, gibt es deshalb kein Ende, in dem die Erkenntnis mit ihrem Gegenstand, die Vernunft mit der Wirklichkeit eins wird. Auch wird die alte Differenz von Erkenntnis and Gegenstand, die alte ontologische Negativität der Erkenntnis als Operation auszerhalb des zu Erkennenden, nicht vorgeführt, um zu zeigen, wie die Erkenntnis in der Geschichte dialektisch zu sich selbst kommt. Es gibt keine Einheit als Ende. Was sich als Erkenntnis beobachten laszt, ist und bleibt die Er­zeugung einer Differenz im Ausgang von einer Differenz. Schon die Operation der Beobachtung ist, wenn man sie beob­achtet, in einem Doppelsinne differentiell organisiert: sie vollzieht eine Differenz, indem sie eine Unterscheidung zu Grunde legt, um etwas zu bezeichnen. Und keine Beobachtung der Beobachtung kann fur sich selbst reklamieren, etwas anderes zu tun. Jeder Anfang verletzt daher die Welt durch die eine oder die andere Unterscheidung, um dies (und nicht sonst etwas) bezeichnen zu koennen. Das nimmt der Reflexion, will sich selbst denn Erkenntnis sein, um sich auf Erkenntnis beziehen zu kon­nen, die Möglichkeit, ein in der Logik ihrer Vollendung liegen­des Ende zu denken. Ihr Ende wird eine (ob technisch oder nicht technisch ausgeloste) Naturkatastrophe sein. Bis dahin kann sie mit immer anderen Unterscheidungen weitermachen.
Die selbstverschuldete Unmündigkeit war nur inszeniert, damit die Aufklaerung ihren Triumph feiern konnte. Der Erzähler war aus der Erzaehlung des Romans herausgenommen worden, um durch seine Rueckkehr Verwirrung, Unheil, Formdestruktion anrichten zu konnen. Die Philosophie war dann nihilistisch geworden, um wenigstens dies noch als Einheit behaupten and ihre eigene Ermüdung (Nietzsche) reflektieren zu koennen. All dies konnte aber seinerseits Episode gewesen sein, die auf kein selbstvollzogenes Ende hindeutet, mit dem alles zu Ende wäre.
Um dies zu unterstreichen, steht das Kapitel über Reflexion nicht am Ende dieses Buches. Es gibt noch weitere and vielleicht wichtigere Unterscheidungen zu berichten. Es folgen die eigentlich soziologischen Kapitel über Evolution und über Gesellschaft und der Leser kann nur gebeten werden, weiterzulesen oder nicht weiterzulesen. (S. 547-548)