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Widmer, Hans: Bolo’bolo. Paranoia City, Zürich 1983, ISBN 3-907522-01-X

[ Volltext ]

Das Buch ist ein kleines Pamphlet in der Wir-Du-Form geschrieben und eine volksdümmliche Variante der Megamaschine, die im Buch als PAM "Planetare Arbeits-Maschine" bezeichnet wird und als soziales System "Gesellschaft" fungiert:
"die PAM.. ist natürlich nicht von irgendeinem Gremium bewusst ferngesteuert, es spielt sich von selbst, es ist der Mechanismus der PAM, die vom isolierten Einzelarbeiter bis zum isolierten Einzelblock der gleichen Logik gehorcht."

"Eine davon ist die unsere - eine Art dummer Ausrutscher, mit gigantischen Folgen. Jemandmuss mit Samen und Pflanzen herumgespielt und so allmählich die Landwirtschaft entdeckt haben. Es schien eine gute Idee zu sein: statt den essbaren Pflanzen nachzulaufen, konnte man sie nun in der Nähe des Lagers wachsen lassen. Aber wir mussten nun mindestens einige Monate am gleichen Ort bleiben, genügend Saatgut zurückbehalten, die Arbeit einteilen, vorausplanen und unmittelbare Bedürfnisse unterdrücken. Statt mit der Natur lebten wir nun von ihr und sahen wir sie immer mehr als unberechenbaren Partner und manchmal als gemeinen Spielverderber. Wir hatten die Produktivität entdeckt: dass es einen Zusammenhang zwischen unserer Arbeit und dem Umfang der Ernte gab. Disziplin wurde wichtiger als Jagdglück." (Getreide)

"Das Idealbild des Haushaltes - der sich selbst versorgende Bauernhof - braucht kein Geld, keine Politik, keinen Staat."

Der Kreislauf dieser anonymen Lebensfetzen wird geregelt gemäss der aufgewendeten Arbeitszeit, deren Mass eine Zahl, das Geld, ist.

Die Aufgabe der Reform-Realpolitiker besteht darin, Wider­stände zu erkennen, sie zu formulieren, sie in die «Maschinen­sprache» zu übersetzen, sich an die Spitze von rebellischen Bewegungen zu stellen und sie in «konstruktive» Beiträge zur Weiterentwicklung der Maschine umzusetzen. Die Maschine besitzt zu diesem Zweck einen politischen Apparat, ein System von Verhandlungsorganen, das Vertretungsprinzip, also Parteien, Parlamente, Medien, Wahlen, Abstimmungen. All das bewegt sich im Rahmen des Mechanismus der Maschine: zentrale Entscheidung, lokale Ausführung, Anonymität, individuelle Isolation usw. Eine gute Realpolitik ist jene, bei der sich das vereinzelte Individuum verstanden und vertreten fühlt. Mit immer wieder neuen Vorschlägen, Utopien, Reformideen, soll es an diese Politik gebunden werden und «inzwischen» seine Energie für die Maschine verausgaben. Und dann ist das Leben plötzlich vorbei und die Maschine ist noch raffinierter, bedrückender und stärker geworden.

"(FN 3) Die Vorstellung vom neutralen Charakter des Geldes trifft man bei vielen Arbeits-Utopisten an. Alternativtheoretiker beklagen oft nur die Inflation und schwärmen von der Wiederherstellung des Geldes als soliden Masses der Arbeit. Typischerweise «übersieht» der amerikanische Utopist Callenbach in seinem Buch «Ecotopia» (Bantam New Age Books - auch als deutsche Übersetzung erhältlich), dass da immer noch munter Dollars zirkulieren und was für gesellschaftliche Folgen das haben muss. Es ist widersinnig zugleichein System persönlichen, naturverbundenen, direkten Austauschs zu fordern (und das ist das einzig wirklich «ökologische» System) und ein Mittel anonymer Zirkulation (das ist das Geld) zuzulassen. Diese Anonymität oder Nichtzuständigkeit aller erzeugt eben gerade die natur- und menschenvernichtenden Mechanismen. Da Callenbach diese grundlegende Anonymität nur moralisch angreift, braucht er dann auch einen (zwar sympathisch-demokratischen) Zentralstaat, der mit Preiskontrollen und Vorschriften die Auswüchse zurecht zu biegen versucht. Warum sollen die gleichen, die «ökonomisch» etwas zulassen es «politisch» verhindern wollen? Da kann man nur noch ans «Gute im Menschen» glauben und die Bösen ins Arbeitslager stecken."

(7) Warum nicht schon bestehende Weltsprachen wie Englisch oder Spanisch als asa'pili benützen? Dies geht darum nicht, weil gerade diese Sprachen Träger des Massenkulturimperialismus sind und daher die lokalen nimas und pilis zersetzen. Auch Esperanto und ähnlich westlich-europäische Kunstsprachen sind an die vorherrschende Kultur gebunden. Die einzig unparteiische Lösung ist eine völlig zufällige, willkürliche, mit keiner lebenden Sprache verwandte Kunstsprache, eben asa'pili. (Es ist also vergebene Liebesmüh, nach den Ursprüngen von asa'pili-Wörtern zu suchen: sie sind rein zufällig entstanden.) (inkl. Pause) asa'pili besteht aus 18 Lauten, die in vielen Sprachen in verschiedenen Varianten vorkommen: Vokale: a,e,i,o,u Konsonanten: p,t,k,d,g,m,n,l,s,y,f l kann auch als r ausgesprochen werden: stimmlose und stimmhafte, offene und geschlossene, behauchte und unbehauchte Laute werden nicht unterschieden, die Betonung ist frei. Die asa'pili-Wörter werden immer mit den Zeichen (siehe unten) geschrieben, es ist also kein Alphabet erforderlich. Die lateinische Schrift dient in diesem Text nur als Behelfsmittel. Es können dafür auch andere Schriften (kyrillisch, griechisch, arabisch usw.) verwendet werden. Die Verdoppelung eines Wortes bezeichnet eine Mehrzahl: bolo'bolo = viele bolos. Mit dem Apostroph (') können Zusammensetzungen gebildet werden, wobei das erste Wort das zweite bestimmt (wie im Deutschen): asa'pili (Welt-Sprache).

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