Bertrand Russell (1872- 1970) war Mathematiker, lehrte Philosophie in Cambridge und engagierte sich in der Friedensbewegung. Für sein Werk "Ehe und Moral" erhielt er 1950 den Nobelpreis für Literatur. Berühmt ist sein Werk "Principia Mathematica", in welchem er die Mengenlehre durch seine Antinomie nach G. Frege revolutionierte, indem er seine Typentheorie entwickelte. B. Russell gilt zusammen mit G. Moore als Begründer der sprachanalytischen Richtung der Philosophie. |
Crash-Kurs Systemtheorie
von Foerster, H.: Verstehen:286
B. Russell ist exemplarisch für die Vermischung von Logik und Sprache. Seine Antinomie ist eine logische Geschichte, die mit der Paradoxie vermischt wird, die darauf beruht, dass der Beobachter ausgeklammert wird (siehe dazu Todesco: Achilles).
"Es ist klar, daß ein Mensch mit einem Hang zum Verbrechen daran gehindert werden muss, Verbrechen zu begehen, aber das gleiche gilt für einen Menschen, der an Tollwut leidet und die Leute beissen will, obwohl ihm niemand moralisch dafür verantwortlich macht. Ein Pestkranker muss bis zu seiner Heilung eingesperrt werden, obwohl ihn niemand für verworfen hält. Das gleiche sollte für einen Menschen gelten, der an einem Hang zum Fälschen leidet. Es sollte aber in dem einen Fall der Gedanke einer Schuld ebensowenig vorhanden sein wie im anderen. All das ist nichts als gesunder Menschenverstand ..."
Russell, Bertrand: Hat die Religion nützliche Beiträge zur Zivilisation geleistet. In: ders. Warum ich kein Christ bin. Über Religion, Moral und Humanität. Reinbek bei Hamburg 1968, S. 35-56. (Erstmals veröffentlicht 1930). Zitat S. 50.
Zehn Grundsätze des philosophischen Liberalismus Bertrand Russel scheint in seinem Leben jenen zehn Grundsätzen gefolgt zu sein, die er auch in seiner Autobiographie niedergeschrieben hat. Sie sind der intelektuellen Offenheit, der Wahrheit, dem Mut und dem Widerstand in allen Lebenslagen gewidmet. Wenn ich sie lese, dann wird mir klar, wie zeitlos sie sind und wie viel diese Grundsätze mir heute noch geben. Wir sollten uns ab und zu an sie und an Bertrand Russell erinnern. Fühl dich keiner Sache absolut gewiss. Versuche nicht, durch das Verbergen von Fakten weiterzukommen, denn die Wahrheit kommt doch ans Licht. Versuche nie, jemanden am Denken zu hindern, denn es könnte dir gelingen. Wenn du Widerstand begegnest, selbst wenn es deine Kinder sind, versuche ihn mit Argumenten zu überwinden, denn ein Sieg durch Autorität ist nur eine Illusion. Habe keinen Respekt vor der Autorität anderer, denn du wirst immer eine entgegengesetzte Autorität finden. Versuche nicht, Überzeugungen, die du für schädlich hältst, mit Macht zu unterdrücken, denn sonst werden diese Überzeugungen am Ende dich unterdrücken. Habe keine Angst, eine verrückte Meinung zu haben, denn jede heute akzeptierte Meinung war einmal verrückt. Freue dich mehr über intelligenten Widerspruch, als über passive Zustimmung, denn wenn du Intelligenz schätzt, wirst du tiefere Zustimmung im ersten finden. Sei penibel wahrhaftig, selbst wenn die Wahrheit unangenehm ist, denn noch unangenehmer ist es, wenn du versuchst, die Wahrheit zu verbergen. Beneide nicht das Glück derer im Narrenparadies, denn nur Narren halten das für Glück. Bertrand Russell: Autobiographie. Bände I–III, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1972–1974, S. III/80–81; auch publiziert in: Bertrand Russell: Zehn Gebote eines Liberalen. In: Gesellschaft für kritische Philosophie Nürnberg (Hrsg.): Aufklärung und Kritik. Zeitschrift für freies Denken und humanistische Philosophie. Heft 2, 1994, S. 136 (online) (unterschiedliche Übersetzungen).