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Der Ausdruck "Systemtheorie" wird in beliebigen Zusammenhängen für beliebige Zusammenhänge verwendet. Natürlich verwende auch ich den Ausdruck nach meinem Belieben - also nicht irgendwie zufällig, sondern dezidiert so, wie ich es liebe. Ich glaube nicht, dass man den Ausdruck "Systemtheorie" in irgendeinem Sinne "richtig" verwenden kann, die Kontingenz scheint ohne Beschränkung und ohne Kern. Ich kann mir nur bewusst machen, wie ich den Ausdruck verwende, also explizit machen, was ich als Systemtheorie bezeichne, und vor allem, wozu ich die Systemtheorie wie verwende.
Die Vielzahl an sogenannten Systemtheorien führe ich unter anderem auch darauf zurück, dass diese Theorien eine Vielzahl von sehr verschiedenen Gegenständen, vom Computer über Amöben und Wirbelstürme bis hin zur Gesellschaft, alles und alles beliebig behandeln. Man sehe sich nur an, wie der Gesellschaftstheoretiker N. Luhmann die autopoietische Systemtheorie des Biologen H. Maturana umstülpte, um einen wirklich soziologischen Gesellschaftsbegriff anstelle des vermeintlich biologischen Gesellschaftsverständnis von H. Maturana zu stellen. Die zunächst namentlich übernommene Systemtheorie "Autopoiesis" wird durch wissenschaftsdisziplinäre Auffassungen des Gegenstandes Gesellschaft sozusagen in ihr Gegenteil verwandelt. Bei H. Maturana ist die Gesellschaft eine Konstruktion eines biologisch beschreibaren Beobachters, wofür bei ihm explizit nur ein Mensch in Frage kommt, während bei N. Luhmann die Gesellschaft ein System ist, in welchem konkrete oder biologische Menschen gar keine Rolle spielen. Lese ich die eine oder die andere Systemtheorie, scheint der jeweilige Gegenstand durch die Theorie bestimmt, lese ich dagegen beide (oder noch weitere) Theorien, scheinen sich diese Theorien Gegenständen zu fügen, die jenseits der Theorien - etwa in der Biologie oder in der Soziologie - begründet sind.
Wohl vor diesem Hintergrund wird die Systemtheorie oft als Sprache oder als Methode interpretiert, die in verschiedenen Wissenschaften verwendet werden kann - wo sie nicht gar eine Einheitssprache für alle Wissenschaften sein soll. Mit dem Ausdruck "Theorie" bezeichne ich aber etwas anderes als mit Sprache oder mit Methode. Von einer Theorie erwarte ich, dass sie einen Gegenstand hat, was ich von der Sprache gerade nicht erwarte.
Bestimmte Systemtheorien haben insofern einen Gegenstand, als sie auf einen beliebigen Gegenstand angewendet werden. Die Systemtheorie von N. Luhmann wird oft als "soziologische Systemtheorie" bezeichnet, womit ein Gegenstand durch Referenz auf die eine Disziplin angedeutet wird. Solche Bezeichnungen sind aber ambivalent: man kann sie - vorab, wenn man kein Vertreter dieser Theorien ist - als Eigennamen verstehen, oder als Bezeichnungen einer bestimmten Art von Systemtheorie. Wenn ich von der Systemtheorie von N. Luhmann spreche, spreche ich von einer persönlichen Systemtheorie, wie wenn ich von "meiner" Systemtheorie spreche. Dann verwende ich "N. Luhmann" als Eigenname, der auf den Autor, nicht auf den Gegenstand verweist. Und so kann ich auch "soziologische" Systemtheorie sagen und jene von N. Luhmann meinen - was durchaus üblich ist, wie man durch Google leicht verifizieren kann. Wenn ich dagegen "soziologisch" als Bestimmung einer Art von Systemtheorie verwende, unterstelle ich, dass verschiedene Systemtheorien durch verschiedene Gegenstände verschieden bestimmt sind - oder dass die Systemtheorie jeweils "nur angewendet" wird, was den Unterschied zwischen Mathematik und Rechnen widerspiegelt.
Meine Systemtheorie hat einen spezifischen Gegenstand, der mit verschiedenen Disziplinen nichts zu tun hat, sondern eher zur Beschreibung davon, was in den verschiedenen Disziplinen passiert, herangezogen werden kann. Meine Systemtheorie ist eine Theorie des Erklärens (Anmerkung 1).
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Die Vielfalt der Systemtheorien ist in mindestens zwei Weisen produktiv. Sie liefert verschiedene Methoden (Anmerkung 3) und sie liefert quasi genuin Kritik.
Jede Systemtheorie zeigt dort, wo sie speziell ist, gerade das, was jede andere gerade nicht zeigt. Im Sinne des Dialoges sind die verschiedenen Theorien der Grund für Missverständnisse, aber auch das Resultat von produktiven Missverständnissen. Missverständnisse führen mich im produktiven Fall zu Fragen nach den Voraussetzungen. Ich kann mich fragen, welche Annahmen oder Glaubenssätze sich in verschiedenen Interpretationen zeigen. Die Explikation solcher Annahmen zeigt sich als Theorie, als Beschreibung des jeweiligen Schauens. In der Aufhebung dieser Annahmen oder Glaubenssätze sehe ich das Ziel des Dialoges. Ich kann in meiner Theorie meine Annahmen erkennen, vor allem dort, wo meine Theorie zwischen mir und anderen Menschen weitere Missverständnisse produziert.
Da meine Argumenation nicht nur zirkulär ist, sondern auch Perspektive und Objektebene wechselt, versuche ich mit etwas Metakommunikation meine Orientierung zu erhalten.
Ich habe bereits im Vorwort geschrieben, dass ich personalisierte Formulierungen verwende. Ich werde aber erst später erläutern, warum mir das wichtig ist. Im Moment bitte ich um Nach(her)sicht, falls die Hypertextstruktur ein sinnvolles vorher und nachher überhaupt zulässt. Ich bin mir bewusst, dass "meine Systemtheorie" eine ungewöhnliche Formulierung ist, aber ich komme nicht umhin.
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