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Bewusstes Beobachten

In der 2. Ordnung beobachte ich mein Beobachten. Ich mache mir dabei meine Wahrnehmung als Rekonstruktion der Umweltblackbox bewusst, indem ich das Beobachten bewusst mache. Um vorerst in der anschaulichen Metapher der Abbildung zu bleiben: Wenn ich meine Umwelt zeichne, konstruiere ich mit meinen Strichen Gegenstände, die ich als Artefakte wie beliebige andere Gegenstände in meiner Umwelt wahrnehme. Ich mache bewusst Gegenstände, die ich funktional als analoge Symbole deuten kann, wodurch sie zu Abbildungen werden. Ich konstruiere dabei nicht die Gegenstände, die ich (ab)zeichne, sondern Repräsentationen dieser Gegenstände, die ihrerseits Gegenstände, beispielsweise Graphitstrukturen sind, die ich (auf)zeichne. Als Abbildungen repräsentieren sie via Form, was ich so doppelt - als Zeichnung und als Gezeichnetes - wahrnehme und aufeinander beziehe, nämlich meine Eigenzustände in Form von Gegenständen vor einem Hintergrund. Indem ich zeichne, mache ich die Unterschiede, die ich beim Beobachten mache, bewusst - was noch nicht heisst, dass es mir bewusst sein muss.

Abbildungen kann ich auch mit der Kamera machen. Bei Fotografieren entsteht ein Technobild. Mit der Kamera obscura reproduziere ich die Umwelt unterschiedslos, also ohne Gegenstände und Hintergründe oder Bedeutungen zu unterscheiden. Wenn ich die Fotografie anschaue, muss ich, um Gegenstände zu erkennen, mental dasselbe leisten, wie wenn ich in meine Umwelt schaue. Auf der Fotographie liegen alle Bildpunkte gleichberechtigt nebeneinander. Ich muss sie also sozusagen nach-zeichnen, um Gegenstände und Hintergründe abzugrenzen (Anmerkung 1). Beobachten heisst in diesem operativen Sinne Konstruieren einer Repäsentation des Eigenzustandes.

Ich illustriere die Vergegenständlichung des Eigenzustandes mit einem weiteren Beispiel: Ich kann beispielsweise plötzlich merken, dass ich friere. Wenn ich das entsprechend zum Phänomen mache, muss ich erklären, warum ich friere und warum ich das plötzlich wahrnehme. Meine spontane Erklärung dafür kann sein, dass es in meiner Wohnung kalt ist, was ich aber eine zeitlang nicht wahrgenommen habe, bis es mir "bewusst" wurde. Natürlich könnte es auch ganz plötzlich sehr kalt geworden sein oder ich könnte frieren, weil ich krank bin. Ich kann mir also nicht nur meine Frieren, sondern auch meine Erklärung bewusst machen. Ich mache mir meine Erklärung bewusst, indem ich beispielsweise auf den Thermometer schaue oder den Radiator der Heizung anfasse oder im Keller schaue, ob die Heizung läuft oder einen Pullover aus dem Schrank hole. In all diesen Fällen ordne ich meiner Wahrnehmung "frieren" Gegenstände in meiner Umwelt zu, ich vergegenständliche mein Frieren in meiner Umwelt. Wenn ich auch meinen Körper zu meiner Beobachtersystem-Umwelt rechne, kann ich mein Frieren auch in den aufgestellten Haaren auf meiner Haut vergegenständlichen (Anmerkung 2).

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Beobachten im engeren Sinn bedeutet nicht nur Unterscheiden - wie beim Zeichnen -, sondern vor allem auch Bezeichnen. Ich kann beispielsweise jeden Hund zeichnen, aber ich kann den Hund nicht zeichnen. Ich kann ihn nur bezeichnen. Indem ich etwas bezeichne, unterlaufe oder abstrahiehre ich die Form, die ich zeichne. Der Hund überhaupt hat keine Form. Aber auch die Bezeichnung "Hund" ist ein Artefakt, das ich wie eine Zeichnung konstruieren muss. Während das Zeichnen naturwüchsig auf Form bezug nimmt, nimmt das Bezeichnen ebenso naturwüchsig auf Sprache bezug. Beim Beobachten 2 Ordnung beobachte ich, wie ich Bezeichnungen wofür wähle (Anmerkung 3).


 
 

Metakommunikation

Es gibt in der Lehre der Gestaltwahrnehmung viele Experimente, die zeigen, dass beispielweise Bildpunkte, die sich gemeinsam bewegen, als Einheiten interpretiert werden. Wenn ein Auto vorbeifährt, bewegen sich alle Teile des Autos zusammen, während alle Teile, die nicht zu Auto gehören, sich nicht bewegen. Der Roboter, der meine Autofocus-Kamera repräsentiert, verwendet genau solche Verfahren, die als Erklärungen in die Wahrnehmung projiziert werden. Als deutender Beobachter spreche ich aber nicht über physiologische Prozesse, sondern über meine Erfahrungen. Ich sehe ein Auto als ein Auto, nicht als eine Menge von sich gemeinsam bewegenden Massen. Mein Deuten wird mir bewusst, wenn die unbewusste Wahrnehmung irritiert wird oder eben wenn ich bewusst zeichne und bezeichne.


 
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