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Hyperbuch Crashkurs Systemtheorie 2. Ordnung Inhalt - Register - Forum | rückwärts - Seite 6 - vorwärts |
Naiv (Anmerkung 1) interpretiert ist die Systemtheorie eine Theorie über Systeme. Was ich als Systemtheorie auffasse, erläutere ich also sinnigerweise, indem ich sage, wie ich die Ausdrücke Theorie und System verwende. Als System bezeichne ich einen geregelten Mechanismus genau dann, wenn ich sein Verhalten in der Erklärung eines Phänomens beschreibe. Und Theorien nenne ich Argumentationen, in welchen eine Erklärung eines Phänomens auf ein theoretisch analoges Phänomen übertragen wird. Eine Theorie beschreibt den Sinn einer Erklärung innerhalb eines durch die Theorie bezeichneten Kontextes (Anmerkung 2). Ich gebe dazu ein geschichtsträchtiges Beispiel, ich dem ich den Kybernetes (Steuermann) von N. Wiener aufgreife. Ich kann mich etwa fragen, wie ein Schiff ein bestimmtes Ziel (in einer Regatta schneller und sicherer als andere Schiffe) erreicht. Im alltäglichen Sinn weiss ich, dass das Schiff dazu angetrieben und gesteuert werden muss. Die Besatzung des Schiffes reagiert auf Abweichungen vom Zielkurs, indem sie Steuer und Antrieb nachführt. Der Lotse als Teil der Mannschaft beobachtet Abweichungen des Istwertes vom Sollwert, den er vom Kapitän bekommt. Auf jede Abweichung reagiert er mit einer korrigierenden Massnahme, die von der Besatzung ausgeführt wird. Die Besatzung eines Schiffes kann durch einen sogenannten Autopiloten ersetzt werden, also durch einen Mechanismus, der die gleiche Funktion erfüllt. Wenn ich den Autopiloten als System beschreibe, habe ich theoretisch auch beschrieben, was die Besatzung des Schiffes tut. Die Steuermann-Metapher hat J. Watt von Plato - der den Antrieb den Sklaven überliess - übernommen, der die Aufgabe des Fürsten (des politischen gubenators) mit jener eines Schiffssteuermanns verglichen hat. Soweit die Metapher trägt, ist mit der Schiffsteuerung auch beschrieben, was die Platonschen Fürsten tun (Anmerkung 3). Mit der Systemtheorie beschreibe ich in diesem umgangsprachlichen Sinn das Verhalten von Maschinen, Menschen und Gesellschaften, respektive von allem, was ich als Verhalten auffassen kann. Die Beschreibung der Konstruktion des Autopiloten dient als Erklärung dafür, wie ein bestimmtes Schiff sein Ziel erreicht. Und sie dient als Erklärungsgrundlage dafür, wie die platonischen Staaten ihre Ziele erreichten. Ich entwickle die wesentlichen Begriffe meiner Systemtheorie anhand von Konstruktionen, die ich zur Erzeugung des jeweils zu erklärenden Phänomens verwenden kann. Im systemtheoretisch typischen Fall dient das dabei beschriebene Verfahren nicht der Erzeugung des eigentlich interessierenden Phänomens, sondern der Konstruktion eines Modells. Wenn ich etwa den Blitz am Gewitterhimmel erklären will, kann ich - zumindest vorderhand - kein Verfahren beschreiben, mit welchem ich den Blitz erzeugen kann. Ich kann aber Verfahren beschreiben, mit welchem ich ein vergleichbares Phänomen, etwa einen Funken, den ich als Modell eines Blitzes betrachte, erzeugen kann. Wenn ich den mechanischen Autopiloten eines Schiffs beschreibe, habe ich ja auch keinen Schiffs-Gesell- oder Mannschaft beschrieben, sondern allenfalls ein Modell der Besatzungsgesellschaft, in welchem nur ganz spezifische Operationen abstrahiert sind. Theorien haben meines Erachtens die Funktion, systematische Erklärungen zu plausibilisieren, indem sie die Analogie zwischen dem erklärten und dem zu erklärenden Phänomen, also beispielsweise zwischen dem Funken und dem Blitz darstellen. Die Evolutionstheorie beispielsweise erläutert, inwiefern sich die Natur wie ein Züchter verhält, der aus Variation selektiert. Die Systemtheorie betrachte ich lediglich als speziellen Fall von Theorie überhaupt - wobei die Systemtheorie auch eine Explikation davon, was Theorie heissen soll, darstellt. |
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Die Funktion meiner Systemtheorie besteht also einerseits in einem praktischen, ingenieusen Sinn darin, komplexe Phänomene konstruktiv verstehbar zu machen. Die theoretische Funktion besteht darin, das Verstehen selbst verstehbar zu machen. Das komplexeste Phänomen besteht natürlich darin, dass ich überhaupt Phänomene wahrnehmen und erklären kann. Mit meiner Systemtheorie erkläre ich mir, was ich dabei tue - allerdings gelingt das nur durch Problemverschiebungen wie etwa jene vom Blitz zum Funken. Ich verstehe bestimmte Dinge ganz genau, aber es sind nicht die Dinge, die ich naiverweise eigentlich verstehen wollte. Die Systemtheorie erklärt mir, was ich wie erkläre.
Erklärungen sind quasi tautologisch, wenn sie den Mechanismus selbst betreffen, und hypothetisch, wenn sie ein nicht konstruierbares Phänomen wie etwa Blitze betreffen.
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