Das Gefangenendilemma ist eine Geschichte, die von A. Tucker zur Veranschaulichung eines Konzeptes der Spieltheorie erfunden wurde.
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Als Gefangenendilemma bezeichne ich eine in der Spieltheorie populäre Veranschaulichung eines Dilemma's:
Ein Staatsanwalt schlägt zwei getrennt voneinander einsitzenden Untersuchungshäftlingen einen Handel vor. Ihnen wurde bereits eine kleinere Straftat nachgewiesen, aber eine weitere wird ihnen vorgeworfen. Schweigen beide, werden sie nur für die nachgewiesene Straftat bestraft (z.B. ein Jahr). Gesteht aber einer die bislang nicht nachweisbare Haupttat, so geht er zur Belohnung straffrei aus, während der andere eine weitaus höhere Strafe erhält (z.B. 10 Jahre). Gestehen beide, dann erhalten beide eine hohe Strafe.
Jeder der beiden Gefangenen muss wählen, ohne dass er die Konsequenzen seiner Wahl abschätzen kann, weil diese von der ihm nicht bekannten Wahl des anderen abhängig sind. Jeder Gefangene muss mutmassen, was der andere wahrscheinlich tut.
In der Spieltheorie (siehe auch Wahrscheinlichkeitstheorie) geht um Strategie bei Gewinnspielen. Siehe dazu auch J. Nash, der im Film Beautiful Mind ein anderes Beispiel erzählt.
Eine auch berühmte Geschichte dazu ist das Ziegenproblem.
[ Normalform eines Spiels ]
siehe auch Tit for Tat als Spielstrategie von A. Rapoport
Es geht hier nicht um die mathematische Richtigkeit von spieltheoretischen Aussagen, sondern darum, was mit Spieltheorie wie beschrieben wird. Der Ausdruck Spieltheorie suggeriert vordergründig oder umgangssprachlich eine Theorie des Spieles. Eine Theorie des Spieles bestimmt aber, was - in dieser Theorie - als Spiel bezeichnet wird. In der mathematischen Spieltheorie geht es nicht um jenes Spielen, von welchem F. Schiller sagte, der Mensch spiele nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch sei, und er sei nur da ganz Mensch, wo er spiele. Die Spieltheorie behandelt Glücksspiele und in vielen Anwendungen der Spieltheorie zeigt sich, dass mit "Glücksspiel" sehr oft sehr grosse Investitionsspekulationen an Börsen gemeint sind, die im umgangssprachlichen Sinn nie als Spiel empfunden würden.
In Anlehnung an H. Tiwald unterscheide ich zwei Arten des Spielens mit der Redeweise der Weg ist das Ziel. Ich kann spielen, weil es mir Spass macht oder weil ich Gewinn machen will. Die Unterscheidung aber meint, dass es Spiele mit Settings und Regeln gibt, so dass ich ich als Spieler - wie beim Arbeiten - nicht tun kann, was ich mag. Ich bezeichne diese Spiele als soziale oder als Gesellschaftsspiele, bei welchen ich gewinnen kann, wenn ein anderer verliert. Natürlich kann ich auch solche Ergebnisspiele zu meinem Vergügen spielen, wenn ich dabei mein Können entwickeln kann. Es gibt Gesellschaftsspiele wie Schach, bei welchen Glück keine Rolle spielt, sie werden oft deshalb oft gar nicht als Spiele bezeichnet. Typisch für Gesellschaftsspiele, etwa Kartenspiele wie Poker ist, dass ich als Spieler Glück und Geschick brauche. Bei eigentlichen Glücksspielen wie Würfeln kann ich aber tautologischerweise nicht besser werden, sondern nur gewinnen oder verlieren.
Als Spiel gilt in der Spieltheorie eine Entscheidung mit einem stochastischen Resultat, mithin mit einem Resultat, bei welchen allen möglichen Werten eine Wahscheinlichkeit zugeordnet werden kann. In solchen Spielen muss man sich nicht entscheiden, sondern wissen, welche Wahl rational ist. Dabei geht es gar nicht um Spielen, sondern um Gewinnmaximierung.
Beim Gefangenendilemma sind alle möglichen Ausgänge definiert, aber nicht, die Wahrscheinlichkeit, mit welcher sich der jeweils andere Verbrecher für eine bestimmte Wahl entscheidet. Diese Wahl wird aber durch der Staatsanwalt gesteuert, der entscheidet, welches Verhalten welchen - ökonomisierten - Wert hat. Der Staatsanwalt legt dabei fest, dass (veremintlich) asoziales, egoistisches Verhalten unter Umständen stark belohnt wird, während soziales Verhalten einer starken Gefährung ausgesetzt wird. Dazu nimmt der Staatsanwalt in Kauf, dass begangene Verbrechen, die bekannt sind, nicht bestraft werden, was auch eine kriminelle, wenn auch eine im kriminellen System legitimierte Handlung, darstellt.
Das Gefangenendilemma ist spieltheoretisch kein Dilemma, weil jeder Gefangene vernünftigerweise in dieser Situation das Verbrechen zugibt. Das gemeinte Dilemma ist ein moralisches, weil sich die Gefangenen ja - durch die willkürlich vorgegebenen Bedingen - bewusst egoistisch entscheiden, also ihren Partner quasi verraten müssen.
Das Gefangenendilemma widerspiegelt Verhältnisse, in welchen Menschen unter kapitalistischen Bedingungen leben.