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Hier nicht gemeint:
Geistige Behinderung, Intelligenzminderung, mentale Retardierung, Demenz
Idiot ist im heutigen Sprachgebrauch ein Synonym zu „Dummkopf“, „Depp“, usw.

Als Idiot bezeichne ich einen Beobachter, der sich seiner Perspektive nicht bewusst ist.
Früher wurden Personen ohne spezielles Amt, beispielsweise ein Soldat ohne Rang und mithin pejorativ Laien oder unwissenden Menschen als Idioten bezeichnet. In der Renaissance wurde der Ausdruck oft umbewertet. Der Idiot war dann nicht scholastisch verbildet. In der nächsten Inversion wurde er zum Fachidioten.
Eine griechische Etymologie bezieht Idiot auf private Person, die sich nicht um Öffentliches kümmert.

Im sokratischen Dialog spielt der Idiot eine wesentliche Rolle: Er weiss im Prinzip alles, man muss im nur durch die Hebammenkunst Mäeutik helfen, sein Wissen zu gebären. Bei G. Galilei heisst er Simplicius


 

Idiot
Als Idiot bezeichne ich im ganz landläufigen Sinn jemand, der nicht weiss, worüber er spricht. Und da ich nicht wissen kann, was ein Idiot weiss, beobachte ich, ob er es auf Nachfrage sagen kann. In gewisser Weise ist mein diesbezügliches Nachfragen also immer auch die Frage, ob der andere ein Idiot sei. Die meisten Menschen erkennen das ganz leicht und mögen meine Frage deshalb nicht. Wenn sie dann die Frage nicht beantworten, weiss ich auch nicht, ob sie Idioten sind, oder andere Gründe haben, meine Frage nicht zu beantworten.
Der potentielle oder hypothetische Idiot erscheint mir immer dann, wenn jemand im Gespräch über etwas anderes spricht als ich, oder eben, wenn ich nachfrage(n muss). Ich frage beispielsweise jemanden: "Wie schmeckt Dir dieses Brot?" Er antwortet: "Es ist gleich drei Uhr dreissig". Ich frage nach: "Hast Du meine Frage nicht verstanden?" Er: "Doch, natürlich, aber ich spreche jetzt über etwas, was jetzt viel wichtiger ist".
Er ist also nicht unbedingt ein Idiot. Er hat einfach nicht geantwortet, sondern ein neues Gespräch vorgeschlagen, womit das Spiel von neuem beginnt. Ich schreibe in einem Forum über den Judenstern und sage, dass er als Zeichenkörper auf Anordnung einer Staatsregierung von bestimmten Menschen sichtbar getragen werden musste. Jemand schreibt als nächstes: "dass sich das Leiden der Juden [nicht] mit dem "Leiden" derer vergleichen [lasse], die sich nicht impfen lassen".
Ich denke zunächst, dass er möglicherweise ein Idiot sei, weil er im selben Forumseintrag über etwas ganz anderes spricht. Dann erkenne ich vielleicht, dass er einfach etwas anderes wichtig findet. Dann denke ich als nächstes, dass er möglicherweise ein Idiot sei, weil er nicht merkt, dass er in einen Thread des Forums schreibt, in welchem von etwas anderem die Rede ist. Dann erkenne ich vielleicht, dass ihn gar nicht interessiert, wo wovon die Rede ist, weil seine Emotion ihn immer überrollt, wenn er bestimmte Wörter liesst. Vielleicht verwende ich das Wort Idiot dafür.


 

Der Idiot gehört zu den bekanntesten Romanen F. Dostojewskis. Fürst Myschkin, der in die Petersburger Gesellschaft gerät, erkennt in seiner naiven Art die Menschen in ihren persönlichen und sozialen Spannungen und Widersprüchen und ihrem daraus resultierenden Leid. Er scheitert, ihnen zu helfen, und versinkt in einer geistigen Isolation, aus welcher er die Gesellschaft erkannt hatte.


 
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