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Von einer Blackbox spreche ich, wenn ich ein Phänomen mit einem Mechanismus erkläre, ohne prüfen zu können, wie das Phänomen tatsächlich zustande kommt (Anmerkung 1). Mit der Blackbox begrenze ich das Phänomen. Ich bestimme quasi die Unbestimmtheit, indem ich das Phänomen hypothetisch verorte. Die Blackbox wird so zum Platzhalter einer Erklärung eines bestimmten Phänomens, von welchem ich nicht weiss, wie gut es zu dem mic interessierenden Phänomen passt. Meine konstruktive Erklärung ist eine Hypothese dafür, was in der Blackbox sein könnte, also ein Beschreibung davon, wie ich das Phänomen der Blackbox erzeugen kann. Wenn ich den Mechanismus von Heron kenne, weiss ich natürlich, was unter dem Tempel sein könnte. Aber wenn ich wissen will, was unter dem Tempel ist, muss ich nachschauen. Von einer Blackbox spreche ich, wenn ich nicht nachschauen kann (Anmerkung 2). Die Blackbox ist doppelt unbestimmt. Ich weiss nicht, was sie enthält und ich weiss nicht, wie gut sie mein Phänomen repräsentiert. Ich könnte einerseits einen ganz andren Mechanismus als jenen von Heron konstruieren (was ich ja mit heutiger Technologie ganz sicher tun würde) und es könnte sich anschliessend herausstellen, dass meine Blackbox nicht alle Aspekte des Phänomens erklären kann. |
Die "Blackbox" kann man sehr verschieden auffassen. Behavioristen (Verhaltensforscher) wie B. Skinner, die den Ausdruck in den wissenschaftlichen Erklärungszusammenhang eingeführt haben, postulieren mit dem Ausdruck, dass man hinreichend komplexe Sachverhalte, beispielsweise das Verhalten von Menschen, nicht rekonstruieren, sondern nur funktional untersuchen kann. Die Behavioristen untersuchen, wie eine "behavioristische Blackbox" auf bestimmte Signale reagiert (Reiz-Reaktion). Ihnen ist egal, warum die Blackbox so oder so reagiert, sie wollen nur wissen, wie sie reagiert, respektive, wie das Verhalten der Blackbox beispielsweise durch operantes Konditionieren beeinflusst werden kann. Die behavioristische Blackbox ist kein Platzhalter für Erklärungen, sondern der Träger eines komplexen Phänomens, das man gerade nicht erklären kann. Eine typische Blackbox in diesem Sinne ist beispielsweise eine Ratte, die in einem Labyrinth aufgrund von Belohnungen lernt einen Ausgang zu finden.
Formalisten wie A. Rapoport untersuchen mit dem Ausdruch "Blackbox", ob sie im Chaos der Ereignisse überhaupt eine Funktion (x=(f)y) erkennen und beschreiben können. Typische Beispiele dafür sind etwa statistische Untersuchungen, wie sie in der soziologischen Systemtheorie von T. Parsons verwendet werden. Man kann sich etwa fragen, ob und unter welchen Bedingungen der Beruf des Vater den Beruf des Sohnes bestimmt. Vor der Untersuchung weiss der Forscher nicht, ob ein Zusammenhang besteht. Blackbox ist in diesem Kontext ein formaler Ausdruck für eine mathematische Funktion, die mit der landläufigen Vorstellung von einer Box wenig zu tun hat.
Die kybernetische Blackbox revolutionierte die behavioristische Vorstellung einer nichtdurchschaubaren Blackbox in der Kognitionsforschung. In einem als "kognitive Wende" bezeichneten Paradigmenwechsel wurde die Blackbox der Behavioristen vom undurchschaubaren zum einzig interessierenden Gegenstand dieser Forschung, die die "künstliche Intelligenz" propagierte (Anmerkung 3). Im kognitiven Paradigma dienen Behavioristen, die oft als dumm verkauft werden, als Abgrenzung. Man kann diese Wende als Wechsel von der klassischen Naturwissenschaft zum Engineering verstehen. Viele Kognitivisten verwenden allerdings den Ausdruck Blackbox gar nicht, weil sie - wie die Behavioristen - den Phänomenträger selbst und nicht Platzhalter untersuchen, also verstehen wollen, wie das wirkliche Hirn - das sie oft als System bezeichnen - funktioniert (Anmerkung 4).
In dieser Systemtheorie ist die Blackbox black. In systemtheoretischen Erklärungen spreche ich also nicht über den "wirklichen" Inhalt der Blackbox, weil ich den per definitionem nicht erkennen kann. Systemtheoretisch spreche ich beispielsweise nicht über das Hirn, sondern darüber, mit welcher Konstruktion ich welche Phänomen erzeugen kann. Die kybernetische Blackbox steht für eine Problemverschiebung, wie sie I. Lakatos beschrieben hat. Ich erkläre, wie ich ein bestimmtes Phänomen erzeugen kann, nicht wie die Wirklichkeit beschaffen ist, in welcher ich das Phänomen (auch) beobachten kann.
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Beispiel:
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Als radikalen Konstruktivismus bezeichne ich den Verzicht auf Hypothesen über die Wirklichkeit. E. von Glasersfeld hat ausfühlich dargestellt, wie viele der grossen Naturwissschaftler sich ihrer Konstruktionen bewusst waren. Im Konstruktivismus ist die Wirklichkeit eine Blackbox im ursprünglichen Sinne des Behaviorismus. Aber statt, wie es die Wisenschaftler nach der Auffassung von K. Popper machen, indem sie über das Verhalten der Blackboxes Hypothesen machen und falsifizieren, konstruiere ich als Konstruktivist viable Erklärungen zu Phänomenen, an welchen ich mein Verhalten orientieren kann (Anmerkung 5).
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