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Mit der Bezeichnung "Systemtheorie 1. Ordnung" reflektiere ich, dass die folgenden Erläuterungen im Kontext einer Systemtheorie 2. Ordnung stehen. Als Systemtheorie 1. Ordnung bezeichne ich Systemtheorien, die den Beobachter insofern ausblenden, als sie nur das "Gesichtsfeld" des Beobachters, nicht aber sein Gesicht darstellen. In der ersten Ordnung sehe ich, was der Beobachter sieht, nämlich Gegenstände in meiner Um-Welt. |
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Naiv (Anmerkung 1) interpretiert ist die Systemtheorie eine Theorie über Systeme. Was ich als Systemtheorie auffasse, erläutere ich also sinnigerweise, indem ich sage, wie ich die Ausdrücke Theorie und System verwende. Als System bezeichne ich einen geregelten Mechanismus genau dann, wenn ich sein Verhalten in der Erklärung eines Phänomens beschreibe. Und Theorien nenne ich Argumentationen, in welchen eine Erklärung eines Phänomens auf ein theoretisch analoges Phänomen übertragen wird. Eine Theorie beschreibt den Sinn einer Erklärung innerhalb eines durch die Theorie bezeichneten Kontextes (Anmerkung 2). Ich gebe dazu ein geschichtsträchtiges Beispiel, ich dem ich den Kybernetes (Steuermann) von N. Wiener aufgreife. Ich kann mich etwa fragen, wie ein Schiff ein bestimmtes Ziel erreicht. Im alltäglichen Sinn weiss ich, dass das Schiff dazu angetrieben und gesteuert werden muss. Die Besatzung des Schiffes reagiert auf Abweichungen vom Kurs. Der Lotse als Teil der Manschaft reagiert auf Abweichungen des Istwertes vom Sollwert des Kapitäns. Zu jeder Abweichung gibt es eine korrigierende Massnahme. Die Besatzung eines Schiffes kann durch einen sogenannten Autopiloten ersetzt werden, also durch einen Mechanismus, der die gleiche Funktion erfüllt. Und schon Plato - der den Antrieb den Sklaven überliess - hat eine Analogie zwischen einem Schiff und einer politischen Kommune gesehen, und die Aufgabe des Fürsten (des politischen gubenators) mit jener eines Schiffssteuermanns verglichen (Anmerkung 3). Wenn ich den Mechanismus als System beschreibe, habe ich theoretisch auch beschrieben, was die Besatzung des Schiffes und was die Platonschen Fürsten tun. Mit der Systemtheorie beschreibe ich in diesem umgangsprachlichen Sinn das Verhalten von Maschinen, Menschen und Gesellschaften, respektive von allem, was ich als Verhalten auffassen kann. Ich werde die wesentlichen Begriffe der Systemtheorie anhand von Konstruktionen entwickeln, die ich zur Erzeugung des jeweils zu erklärenden Phänomens verwenden kann. Im systemtheoretisch typischen Fall dient das dabei beschriebene Verfahren nicht der Erzeugung des eigentlich interessierenden Phänomens, sondern der Konstruktion eines Modells. Wenn ich etwa den Blitz am Gewitterhimmel erklären will, kann ich - zumindest vorderhand - kein Verfahren beschreiben, mit welchem ich den Blitz erzeugen kann. Ich kann aber Verfahren beschreiben, mit welchem ich ein vergleichbares Phänomen, etwa einen Funken, den ich als Modell eines Blitzes betrachte, erzeugen kann. Wenn ich den mechanischen Autopiloten eines Schiffs beschreibe, habe ich ja auch keinen Schiffs-Gesell- oder Mannschaft beschrieben, sodern allenfalls ein Modell der Besatzungsgesellschaft, inwelchem nur ganz spezifische Operationen abstrahiert sind. Theorien haben meines Erachtens die Funktion, systematische Erklärungen zu plausibilisieren, indem sie die Analogie zwischen dem erklärten und dem zu erklärenden Phänomen, also zwischen dem Funken und dem Blitz darstellen. Die Evolutionstheorie beispielsweise erläutert, inwiefern sich die Natur wie ein Züchter verhält, der aus Variation selektiert. Die Systemtheorie ist lediglich ein spezieller Fall von Theorie überhaupt. |
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Ich entwickle meine Begriffe - bis hin zur quanitativen Formalisierung von pdi-Reglern im Regelkreisschema - in einem narrativen Verfahren, in welchem ich bei einer alltäglichen Situation beginne, die exemplarisch dafür ist, dass ich überhaupt an Systeme denke. Ich gehe dabei quasi historisch vor, indem ich ein bestimmte Entwicklung der Systemtheorie nachvollziehe, die N. Wiener seinem Roman über die Entwicklung der Kybernetik zugrunde legte. Es ist gewissermassen eine Geschichte der Technologie, in welcher eine formale Beschreibung von Maschinen so verallgemeinert wird, dass sie zur Klärung beliebiger Phänomene vervendet werden kann. Die Systemtheorie wurde anhand von Automaten entwickelt, sie kann aber in beliebigen Disziplinen, die sich mit Verfahren oder Funktionsweisen befassen, verwendet werden.
Ich erläutere zuerst die Systemtheorie 1. Ordnung, also das, was ich als konventionelle Systemtheorie betrachte. Ich werde allerdings auch dabei Formulierungen verwenden, die nicht ganz konventionell erscheinen, weil ich Aspekte der Systemtheorie hervorhebe, die für die Systemtheorie 2. Ordnung wesentlich sind (Anmerkung 4). Ich beginne also mit der Entwicklung des Systems 1. Ordnung und werde später darstellen, wie ich die Systemtheorie verwende. Ich werde noch später die Systemtheorie 2. Ordnung auf der Systemtheorie 1. Ordnung aufbauen.
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