Der Ausdruck "Bedeutungswandel" impliziert in einer verbreiteten Verwendung, dass Wörter eine Bedeutung haben und dass sich diese "Bedeutung" verändern kann. Ich verwende den Ausdruck "Bedeutungswandel" kontextgebunden etwas subtiler:
Als Bedeutung des Wortes sehe ich das Referenzieren. Mit einem Wort verweise ich auf etwas. Mit dem Wort "Tisch" verweise auf einen Gegenstand mit der Gegenstandsbedeutung "Tisch". Die Bedeutung liegt im Tisch, nicht im Wort. Es ist in diesem Sinne eine verkürzte Redeweise zu sagen, dass das Wort Tisch "Tisch" bedeute. Als Bedeutungswandel sehe ich einen Wort-Verwendungswandel.
kürzlich fragte mich jemand, worauf oder auf welchen Gegenstand denn die Wörter "hier, so, das, und (usw) verweisen würden. Also: ich mache hier keine Sprach- oder Wörterwissenschaft, ich spreche hier in einem Wortverwendungskontext, in welchem ich von Wörtern spreche, die ich für Gegenstände verwende.
Die Verwendung eines Wortes verändert sich auf sehr verschiedene Arten, die ich oft nicht genau unterscheiden kann:
- Es kann sein, dass ein Wort, das schon eine "Bedeutung" hat, auch für andere Sachen verwendet wird, dann spreche ich von Homonymen, die ich als Metaphern auffassen kann. Ein Beispiel wäre etwas die (Computer)Maus.
- Es kann sein, dass dabei die ursprüngliche Wortverwendung verschwindet, etwa weil der ursprüngliche bezeichnete Gegenstand verschwindet (hier habe ich kein Beispiel, weil diese Wörter verschwunden sind). Es kann sein, dass sich ein Wort durch eine Art Verkürzung etabliert. Ein Gefäss aus Glas war ursprünglich ein Glasgefäss, das dann als Trinkglas und schliesslich nur noch als Glas bezeichnet wird. Das bezeichne ich als Synekdoche, weil Glas dann immer noch auch das Material bezeichnet.
- Es kann sein, dass sich der Sinn einer bezeichneten Sache so sehr verändert, so dass das Wort deshalb nicht mehr auf dieselbe Sache verweist. Das Florett war ursprünglich eine Waffe, ist jetzt aber nur noch ein Sportgerät.
- Es kann sein, dass ein Wort für verschiedenste Arten Verallgemeinerungen verwendet wird. Der Zweck, der früher von den Schützen für den Nagel in der Mitte der Zielscheibe verwendet wurde und so natürlich das Ziel der Schützen war, wurde allmählich für jedes Ziel und schliesslich nur noch für Ziel verwendet. Mit dem Ausdruck ”Morgenstern” kann ich pragmatisch genau die Venus meinen, ich kann aber auch das Phänomen, dass die Venus am Morgen hell leuchtet, meinen.
Eine ganz andere Art von Bedeutungswandel sehe ich darin, dass ich mir bewusst mache, wie ich ein Wort verwende und dabei merke, dass und wie sich meine Deutung verändert.
Beispiel:
Unbewusst verwendete ich den Ausdruck Geld für Münzen und Noten, die ich als Zahlungsmittel verwende. Beim Nachdenken wurde mir klar (oder eben bewusst), dass ich mit Geld ein allgemeines Wertäquivalent bezeichne, das sich in Münzen und Noten zeigen kann. Schliesslich realisierte ich, dass Geld ein soziales Verhältnis quantifiziert, das ich als Schuld bezeichne. Geld ist in diesem Sinne ein Mass für die Schuld. Diese Art von Bedeutungswandel findet nur in meinem Bewusstsein statt. Was Geld wirklich ist, ist davon nicht betroffen. Ich kann weiterhin Brot kaufen, wenn ich Geld habe und die Bank kann weiterhin Darlehen geben, auch wenn sie gar kein Geld hat.
siehe auch Metonymie