Mit dem Unwort Regelfolgen (für: einer Regel folgen) bezeichne ich in der Terminologie von L. Wittgenstein ein philosophisches Konstrukt zur Wortverwendung.
L. Wittgenstein unterstellt beim nativen Sprecher eine Art tacit knowledge bezüglich der Regeln, die er befolgt und überdies, dass sich die Regeln nicht explizieren lassen. Die Kenntnis der Regel zeigt sich in der korrekten Wortverwendung. Diese wiederum ist ein Kriterium für das richtige Verständnis der Regel.
Die korrekte Wortverwendung ist durch Nachmachen vermittelt: "Ich mach's ihm vor, er macht's mir nach; und ich beeinflusse ihn durch Äusserungen der Zustimmung, der Ablehnung […] usw. Denke, du wärst Zeuge eines solchen Unterrichts. Es würde darin kein Wort durch sich selbst erklärt, kein logischer Zirkel gemacht.“ (PU 208).
Wenn eine Regel anhand von Beispielen gelernt wird, kann sie das Handlungsmuster nicht festlegen. Es ist eine Art Metaregel: „Unser Paradox war dies: eine Regel könnte keine Handlungsweise bestimmen, da jede Handlungsweise mit der Regel in Übereinstimmung zu bringen sei“ (PU 201).
L. Wittgensteins Lösung für dieses Problem ist folgende: Die Tatsache, dass es eine Menge von Möglichkeiten gibt, die Regel fortzusetzen, heißt nicht, dass wir uns bewusst für eine dieser Möglichkeiten entscheiden. Sie drängt sich uns vielmehr unmittelbar auf: „Wenn ich der Regel folge, wähle ich nicht. Ich folge der Regel blind." (PU 219). Ein theoretisch möglicher Zweifel hat praktisch in dieser Situation keinen Platz. "Es war, unter Umständen, ein Zweifel möglich. Aber das sagt nicht, dass ich gezweifelt habe oder auch nur zweifeln konnte" (PU 213).
Kritische Anmerkung
L. Wittgenstein hat einen recht eigenartigen philosophischen Gegenstand: Wie kommt es, dass ein Mensch richtig sprechen kann?
N. Chomsky hat sich auf eine andere Art für diese Frage interessiert. Während L. Wittgenstein ein Nachahmungslernen vermutet, hat N. Chomsky eine vererbte Tieffengrammatik unterstellt.
Ich sehe nicht, wozu diese Frage wichtig sein könnte. Bei L. Wittgenstein scheint sie mir gar nichts zu bringen, bei N. Chomsky ist daraus ein Informatik-Projekt geworden: Chomsky-Generator, der in der Sprachwissenschaft und in der Philosophie kaum Resonanz gezeigt hat. Am ehesten noch in der Psychologie gegen B. Skinners Behaviorismus.
Ich gehe davon aus, dass - im Gegensatz zur wittgensteinschen Vorstellung - jeder Mensch eine Privatsprache spricht, und dass das "richtige, korrekte" Sprechen einer institutionellen Fantasie entspricht, die durch Schule und Rechtschreibung erzeugt wurde.