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Am Anfang steht das Herstellen (die Tat).
Ich stelle Text her.
Dann beobachte ich, was ich dabei mache.
Die Form stelle ich her ich. Das Material ist das, was ich forme. Ich wähle es nach dessen Eigenschaften.
Dann beobachte ich, wie - mittels welcher Katogorien - ich beobachte. Das bezeichne ich als Theorie.
Im Vorwort schreibe ich nichts über das Buch, sondern was mich dazu brachte, dieses Buch zu schreiben. Worum es im Buch geht, schreibe ich in der Einleitung. Aber auch das Vorwort schreibe ich nicht vor dem Buch, sondern nachdem ich weiss, worum es im Buch geht.
In meinem Geld-Buch (1) habe ich ein paar für mich wichtige Bemerkungen zur meiner Theorie gemacht, aber keine dazu, was ich als Theorie bezeichne. Nachdem ich das realisiert habe, habe ich auch meine älteren Texte (2) wieder angeschaut - und dabei ist mir bewusst geworden, dass ich meine Theorie bisher nicht systematisch be(ob)achtet habe. Das hole ich mit diesem Text nach, wozu insbesondere auch gehört zu schreiben, was ich als Theorie bezeichne.
Umgangssprachlich habe ich eine "Theorie" im Kopf, die mir nicht bewusst sein muss, aber mein Beobachten beeinflusst. Das anschauliche Bild dafür ist die sprichwörtliche Brille, die ich nicht sehe, wenn ich sie trage. Sie liegt sozusagen in meinem blinden Fleck. Die Theorie im Kopf interessiert hier nicht, hier interessiert die Theorie im Text.
Meine Theorie ist ein jetzt - also im Moment, in welchem ich das schreibe - noch nicht geschriebener Text. Es wird ein Text darüber, wie ich mein Beobachten beobachte, wobei mir das Schreiben als selbstbezügliches Referenzobjekt dient. Der Text wird mithin auch ein Text darüber, was ich als Beobachten bezeichne. Den Ausdruck Theorie verwende ich dabei in Anlehnung an eine Konvention, in welcher das griechische 'theorein" für "sich selbst beobachten" steht. Ich werde aber nicht mich selbst, sondern mein Beobachten beobachten. Theorie begreife ich - dies vorweg - als eine explizite Widerspiegelung der Kategorien, die ich beim Beobachten verwende.
Um die Selbstbezüglichkeit meines Beobachtens meines Beobachten etwas aufzubrechen, werde ich zwei Texte schreiben. Ich schreibe einen Text über das Schreiben, in welchem ich das Schreiben als Tätigkeit beobachte, also über die Entwicklung des Schreibens schreibe. Dieser Text trägt den Titel "Schrift-Sprache" und soll ein konventionelles Sachbuch werden. Im zweiten, hier geplanten und schliesslich vorliegenden Text beobachte ich die Kategorien, die ich verwende, wenn ich über das Schreiben schreibe. Ich bezeichne letzteres als Beobachtung 2. Ordnung, weil ich dabei mein Beobachten beobachte. Natürlich ist jede Beobachtung 2. Ordnung auch eine Beschreibung einer Sache und in diesem Sinn eine Beobachtung 1. Ordnung.(3)
Als Teorie bezeichne ich also - auch dies hier vorweg - einen Text, der im Unterschied zu einer Lehre, keinen beobachtete Sache betrifft, sondern das Beobachten, das ich unabhängig von beobachteten Sachen beobachte. Als Theorie bezeichne ich den Text selbst, also nicht etwas, was im Text beschrieben ist, das es jenseits des Textes - etwa in meinem Kopf - nochmals geben müsste. Es ist Teil meines Theoriebegriffes, dass in einer Theorie nicht der beobachtete Gegenstand, sondern das Beobachten des Gegenstandes beobachtet wird. In einer Theorie schreibe ich nicht, wie irgendeine Sache oder die Welt ist, sondern wie ich sie beobachte. In der umgangssprachlichen Verwendung des Ausdruckes Theorie ist diese Unterscheidung sehr oft aufgehoben. Die umgangssprachlich gemeinten "Theorien" von A. Einstein oder C. Darwin beschreiben - auch im Selbstverständnis dieser Autoren - die Realität, die nicht von einer kontingenten Art der Beobachtung abhängig ist, sondern eine bestimmte Beobachtung verlangt, um erkannt zu werden.(4)
Ich bezeichne meine - hier noch weitgehend implizite - Theorie als materialistisch und als kybernetisch. Das sind aber Labels, die nicht viel mehr erhellen als sie verstecken, weil ich auch mit diesen Wörtern sehr eigene Vorstellungen verbinde. Gleichwohl zeigen mir diese Bezeichnungen ein beobachtbares kategorielles Vorverständnis, das meiner Sicht auf Theorie zugrunde liegt. Die Ausdrücke Materialismus und Kybernetik beziehe ich nicht nur auf meine Theorie, sondern auch als Bezeichnungen für die Literatur, die für mich relevant geblieben ist. Ich habe nur sehr diffuse Ahnungen, warum ich gerade die Bücher gelesen habe, die ich gelesen habe, und ich finde kaum Menschen, die dieselben Bücher gelesen haben. Und selbst wenn jemand das gleiche Buch wie ich gelesen hat, hat er doch normalerweise ein ganz anderes Buch gelesen. Was ich wie gelesen habe, war immer auch von meiner Theorie abhängig, die aber gerade dadurch erst entstanden ist. Diese Wechselseitigkeit werde ich meinem Projekt zugrunde legen. Eine wesentliche Kategorie in meinem Materialismus erkenne ich darin, dass ich primär gegenständliche Tätigkeiten beobachte. Beim Schreiben stelle ich Artefakte her, die den Moment überdauern.
Es ist überdies Teil meiner Theorie, dass ich die Verwendung von Wörtern nicht in irgendeinem umgangssprachlichen Sinn voraussetzen kann, sondern vereinbaren muss. Wenn ich von umgangssprachlicher Wortverwendung spreche, bezeichne ich eine Art diffusen Commonsense, um darauf aufmerksam zu machen, dass ich meine eigene Wortverwendung explizit erläutere.
Meine je eigene Wortverwendungen beobachte ich in den Texten, die ich geschrieben habe und insbesondere in einem Text, den ich parallel zu diesem Text schreibe. Ich schreibe ein Buch über Schrift und Sprache, um meine Wortverwendung beobachten zu können. Ich kontrolliere meine Wortverwendungen überdies, indem ich ein Wörterbuch schreibe, das ich als Hyperlexikon bezeichne, weil es ein Hypertext ist. Dieses Wörterbuch ist wie das Buch "Schrift-Sprache" Teil meines Projektes und natürlich auch ein Text, den ich durch meine Theorie beobachte. In gewisser Weise reflektiere ich meine Theorie auch durch die Explikation perspektivischer Wortbedeutungen.
Was ich hier entwickle, ist eine Theorie, also nicht die Theorie. Davon abgesehen, dass ich das Wort sehr spezifisch vereinbare, entwickle ich diese Theorie anhand eines bestimmten Textes über das Schreiben, den ich selbst schreibe. Durch meine Theorie lege ich nicht fest, was Schreiben ist, sondern mittels welcher begrifflichen Kategorien, also durch welche Sichtweise ich beobachte, was ich als Schreiben bezeichne. In so verstandener Theorie sehe ich den Sinn eines Dialoges, in welchem Sichtweisen bewusst gemacht werden. Dialoge unterscheide ich von Diskussionen dadurch, dass es im Dialog um eine Vielfalt von Sichtweisen geht, während in einer Diskussion möglichst eine einzige Sichtweise herbeiargumentiert wird. Ich entfalte hier eine für mich sinnvolle Sichtweise, aber keineswegs die Vorstellung, dass jemand Schreiben oder Theorie auch so sehen müsste. Ich suche im Dialog Nachahmung in Bezug auf das Entfalten von Sichtweisen, nicht in Bezug auf eine bestimmte Sichtweise. Ich spreche deshalb bewusst von (m)einer Theorie.
Das Projekt umfasst also drei verschiedene Texte, die genetisch in einer Reihenfolge stehen, aber zeitlich parallel entstehen und sich gegenseitig beeinflussen. Vom Theoriestandpunkt aus gesehen schreibe ich Sachtexte, damit ich beobachten kann, wie ich Wörter verwende, und ein Hyperlexikon, durch welches ich die Wortverwendungen kontrolliere und regle. Beides mache ich dazu, dass ich (m)eine Theorie entwickeln kann. In einem vergleichbaren Sinn dient die Entwicklung der Technik nicht nur dazu, dass das Leben durch immer effizientere Maschinen erleichtert wird, sondern der Entwicklung der Technologie, also dem besseren Begreifen, wie Phänomene erklärt werden (können).
Meine Theorie ist ein Text, also eine materieller Gegenstand, den ich herstelle. Jede gegenständliche Tätigkeit entwickelt sich mit der darin verwendeten Technik. Die Textproduktion, die ich in diesem Projekt beobachte, bezeichne ich als Hyperkommunikation, weil ich grundlegende Kategorien anhand meines Schreibens mit Hypercard entwickelt habe, einer Software, die das Schreiben von Hypertexten im WWW vorweggenommen hat. Die Kategorien, durch welche ich meine Tätigkeit theoretisch reflektiere, sind in einer Hypertext-Technologie aufgehoben, die bestimmt, was ich wie als Schreibtätigkeit erkenne. Was ich mit einem Bleistift schreibend tue, verstehe ich, wenn ich es nicht mehr tun muss, weil ich mit einem Computer schreibe.(5)
In meiner Theorie schreibe ich insbesondere auch, weshalb diese Theorie eine Theorie ist.
Einleitende Bemerkungen haben oft den Charakter eines nachgetragenen Konzeptes. Ich will dagegen zuerst beschreiben, was ich als Konzept betrachte und wie dieses im Projektzusammenhhang steht. Ich beschreibe also zunächst, inwiefern ich die Produktion einer Theorie als Projekt auffasse und anschliessend in einem Konzept, wie ich dieses Projekt organisiere.
Im hier beschriebenen Projekt stelle ich eine Theorie her.
Als Projekt bezeichne ich die konzipierte einmalige Produktion eines hinreichend genau abgegrenzten Gegenstandes. Diese Produktion wird durch ein vorausgesetztes Produkt bestimmt und beendet. Ein Beispiel dafür ist etwa der Bau einer Eisenbahnbrücke an einer bestimmten Stelle innerhalb eines Eisenbahnnetzes. Das Projekt betrifft eine konkrete Brücke an einem bestimmten Ort, also eine Instanz des Objektes "Eisenbahnbrücke", die beispielsweise eine Hängebrücke oder eine Betonkonstruktion mit einer gegebenen Spannweite sein kann und natürlich den Bedingungen der entsprechenden Eisenbahn genügen muss. Das Projekt ist abgeschlossen, wenn die Eisenbahn über die Brücke fährt - oder abgebrochen, wenn der Brückenbau beispielsweise mangels Geld eingestellt wird.
Wenn ich einen Gegenstand herstelle, verfolge ich ein Ziel, dem der Zweck des Gegenstandes unterliegt. Der Zweck des Gegenstandes erscheint als dessen Gegenstandsbedeutung. Zweck einer Eisenbahnbrücke ist, dass die Eisenbahn auf die jeweils andere Seite des überbrückten Hindernis fahren kann. Hergestellte Gegenstände befriedigen die Bedürfnisse, die deren Antizipation schaffen. Wenn ich beim Verlegen von Eisenbahnschienen an einen Fluss komme, entsteht in mir das Bedürfnis auf die andere Seite des Flusses zu kommen, weil ich mir vorstellen kann, dass das beispielsweise mit einer Brücke möglich ist. Projekte haben oft evidente Zwecke, aber manchmal wird die Erläuterung des Zweckes als Teil des Projektes gesehen. Wenn ich andere Menschen für das Projekt gewinnen will, muss ich erläutern, wozu es gut ist. Dabei kann das auch mir klarer werden.
Jedes mir hinreichend wichtige Projekt beschreibe ich in einem Konzept, das mir als Anweisung dient. Im Konzept beschreibe ich, was ich im Projekt weshalb tun werde und welche Resultate mir als Abbruchkriterien genügen. In diesem Sinne ist das Konzept immer auch ein erstes Resultat des Projektes, das seinerseits auf einem mehr oder weniger impliziten Konzept beruht, das bereits im Bedürfnis nach dem Projektgegenstand enthalten ist. Wenn ich mir eine Eisenbahnbrücke wünsche, weiss ich im Prinzip, wie die herzustellen wäre - auch wenn "im Prinzip" sehr oft "eigentlich nicht" heisst. Das jeweils erste Konzept ist entsprechend allgemein, aber bereits als Anweisung formuliert. In der Ausarbeitung des Konzeptes ersetze ich Tätigkeiten durch Handlungen, die ich zunehmend operativer beschreibe, so dass ich die Beschreibungen schliesslich - der Tendenz nach - als Programm lesen kann, in welchem die einzelnen Teilschritte des Projektes beschrieben sind. Als Konzept bezeichne ich in diesem Sinne einen nicht operationalisierten Entwurf zur geplanten Tätigkeit. Ich mache hier aber noch ein paar Anmerkungen dazu, was ich von Konzepten überhaupt erwarte und was das Konzept in diesem nicht kommerziellen Fall hier erfüllen muss. In vielen Konzepten wird auch die Strategie und die Taktik explizit behandelt, die sich später in Form von Methoden zeigt. Strategie und Taktik sind kriegerische Konzepte, die einen Projektgegner implizieren. Ich nehme nicht an, dass irgendjemand etwas gegen mein Projekt haben könnte.
Die Systematik der Konzeption erscheint gebrochen, wenn ich das Projekt als Differenz zwischen Auftrag und Projekt beobachte. Wenn ich ein Konzept schreibe, habe oder will ich einen Auftrag. Ich kann mit einem Konzept Geldgeber oder Mitarbeiter für eine bestimmte Produktion suchen. Dann beschreibe ich natürlich den Sinn des Projektgegenstandes und im kommerziellen Bereich auch den finanziellen Gewinn, der mit dem Projekt verbunden ist. Wenn dagegen bereits klar ist, dass beispielsweise eine bestimmte Eisenbahnbrücke gebaut werden muss, beschreibe ich im Konzept nur noch, wie die Brücke gebaut wird. Wenn ich ein Projekt nur für mich plane, brauche ich weder Geldgeber noch Mitarbeiter, aber ich kann mir natürlich trotzdem Gedanken über den Sinn des Projektes machen. Und logischerweise kann ich jedes Konzept auch als eigenständiges Projekt auffassen.
In kommerziellen Konzepten wird Aufwand und Nutzen in Geld aufgewogen. In einem allfälligen Gewinn sind Sinnfragen aufgehoben. Wenn in Bezug auf Geld nur Kosten ausgewiesen werden können, muss der Gewinn vermittelt im Sinn des Projekts gefunden werden.(6) Die akademische Forschung und deren Institutionen beispielsweise postulieren einen durchaus materiellen Gewinn für die Allgemeinheit, die die Kosten trägt, wobei die Verteilung der Gewinne innerhalb der Gesellschaft normalerweise nicht thematisiert wird. Die Volksschule etwa hat neben ihrem eigentlichen Nutzen, ein Zivilisierungsinstrument zu sein, den oft propagierten Nutzen, dass alle, die die Volksschule durch Steuern bezahlen, lesen und schreiben können, auch wenn ganz und gar unklar bleibt, wie das für die Einzelnen die Kosten materiell aufwägen sollte. Wenn die Regierung eines Staates beispielsweise in Form von gebundenen Subventionen Geld für Projekte ausgibt, die den CO2-Ausstoss zu verringern sollen, haben die Empfänger der Subventionen einen materiellen Nutzen, während die Kostenträger insgesamt sich allenfalls damit trösten, dass es der Natur besser gehe. Es ist eine Frage des Projektes, inwiefern Termine, Ressourcen und Kosten eine nennenswerte Rolle spielen, im hier vorliegenden Projekt spielen sie keine Rolle.
Wenn ich keinen kommerziellen Zweck verfolge, kann ich meine Motivation in dem Sinn problematisieren, dass ich ein persönliches und ein gesellschaftliches Interesse unterscheide. Ich kann beispielsweise in meiner persönlichen Entwicklung ein Motiv sehen, das nicht nur mir Vorteile verschafft. Wenn ich einen Text herstelle, dient er mir beim Verfassen meiner Gedanken, er kann aber - wenn ich ihn publiziere - auch anderen Menschen helfen. Ich beobachte dieses Differenz in meinem Text über das Schreiben.(7)
In vielen Projekten, vor allem wenn das Konzept zur Abschätzung der Projektfinanzierung dient, gibt es fliessende Übergänge zwischen dem Konzept und der Planung im engeren Sinne. Insbesondere wenn der Projektgegenstand in dem Sinne arbeitsteilig hergestellt wird, dass Planung und Ausführung getrennt werden, wird die Konzeptarbeit abgeschlossen, wenn die eigentliche Projektarbeit in Form der Planung beginnt. Wenn ein Ingenieur eine Eisenbahnbrücke plant, stellt er keine Brücke, sondern Pläne her. Die Planung kann dann sowohl als Umsetzung wie auch als letzte Stufe des Konzeptes gesehen werden, die die Tätigkeiten vollständig bestimmt. Während das Konzept primär eine Abbildung des Projektes darstellt, wird in den Plänen hauptsächliche der Projektgegenstand abgebildet. Das ist insbesondere der Fall, wenn ein Konstruktionsplan der gemeinten Arbeit vorausgeht. Eine weniger klare Trennung zwischen Konzept und Planung besteht in Fällen, in welchen die Pläne der praktischen Projektentwicklung wie etwa ein Stadtplan nachgeführt werden, wenn das Projekt vom Konzept abweicht.
Wenn der Gegenstand des Projektes als Resultat einer Entwicklung gesehen wird, kann das Konzept den Entwicklungsprozess beschreiben. Das ist insbesondere der Fall, wenn es sich um ein Forschungsprojekt handelt, bei welchem das Resultat noch nicht bekannt ist, obwohl klar ist, was erforscht wird. Im vorliegenden Fall geht es um die Entwicklung einer bestimmten Theorie, also um einen recht genau bestimmten Gegenstand, wobei aber nicht vorab geklärt ist, was überhaupt als Theorie bezeichnet wird und inwiefern eine Theorie ein Projektgegenstand sein kann. Das Konzept ist in diesem Sinne ein Entwurf zu einer Theorie, den ich in der Theorie reflektiere. Ich beschreibe auf der Stufe des Konzeptes Voraussetzungen der Theorie, die später in der Theorie aufgehoben sind - oder im Konzept entsprechend korrigiert werden. Als Voraussetzung bezeichne ich in diesem Zusammenhang nur, was ich später in der Theorie aufheben will. Ich selbst bin in diesem Sinne keine Voraussetzung des Projektes, obwohl es dieses Projekt ohne mich nicht geben würde.
Im vorliegenden Fall beschreibe ich im Konzept, wie ich meine Theorie entwickle. Das beinhaltet viele Entscheidungen, die sich in der Theorie erst noch bewähren müssen, aber vor allem auch implizite Annahmen darüber, was ich als Theorie begreife. Implizit sind diese Annahmen, weil ich die Theorie ja noch nicht geschrieben habe. Umgangssprachlich würde man sagen können, dass ich meine Theorie bereits im Kopf habe, wo sie aber eben - auch von mir - nicht gesehen werden kann.
Ich fasse nochmals zusammen. In diesem Projekt will ich über meine je eigenen Theorie nachdenken, wozu insbesondere auch gehört, was ich als Theorie bezeichne und auf welchem Weg ich mir meine (je) eigene Theorie bewusst mache. Der Gegenstand dieses Projektes ist die Entwicklung im Sinne einer Herstellung meiner Theorie. Als Gegenstand ist meine Theorie ein Text, in welchem ich die Kategorien, die ich beim Beobachten verwende, reflektiere. Die Kategorien, die ich verwende, sind kontingent. Genau deshalb spreche ich von meiner Theorie. Andere Beobachter verwenden andere Kategorien und haben in diesem Sinne andere Theorien.
Der Sinn dieses Projekts besteht für mich darin, mir mein Beobachten bewusst zu machen. Ich setze dabei voraus, dass ich beobachte und dass ich adäquater beobachte, wenn ich mir dessen nicht nur bewusst bin, sondern auch weiss, wie ich beobachte. Gegenstand des Projektes ist also nicht irgendetwas in meinem geistigen Bewusstsein, auf das ich introspektiv Zugriff habe, sondern ein hergestellter Text, den ich und eben auch andere beobachten können.
Ich mache mir so auch bewusst, dass ich mir meines Beobachtens nicht bewusst sein muss und auch ohne Theorie gut leben kann. Ich bezeichne das, was ich in Form der Theorie erst hervorbringen will, als tacit knowledge, also als eine Art Können, über welche ich ohne Theorie kaum Auskunft geben kann.(8) Ein Teil dieses Können zeigt sich mir darin, dass ich schreiben kann. Ich kann beispielsweise ein Buch über das Schreiben schreiben. Das kann ich ohne zu wissen, weshalb ich den Text gerade so schreibe, wie ich es mache. Naturwüchsig schreibe ich in diesem Fall einfach, was der Fall ist, ich beschreibe einfach die Wirklichkeit. Ich muss nicht darüber nachdenken, warum oder wie ich die Wirklichkeit wahrnehme. Aber ich kann es tun. Ich brauche keine Theorie, aber ich kann (m)eine Theorie herstellen.
Mein Motiv, mich mit meiner Theorie zu befassen, entspringt der Verallgemeinerung einer einfachen Erfahrung, wobei ich mir weder meine Erfahrungen noch deren Verallgemeinerungen jenseits meiner Theorie vorstellen kann. Die noch nicht reflektierte Erfahrung besteht darin, dass meine Tätigkeiten effizienter werden, wenn ich sie mir bewusst mache.(9) Dieser Erfahrung liegt auch jedes entwickeltere Unterrichten zugrunde, bei welchem auch erläutert wird, was weshalb wie lernen ist. Unterrichten hat in diesem Sinne auch zwei sehr verschiedene Bedeutungen. Im eigentlichen Unterrichten erläutere ich, weshalb ich das unterrichte, was ich unterrichte. Im institutionalisierten Unterricht, also etwa in der Schule, gelten die Unterrichteten als noch nicht in der Lage, den Sinn des Unterrichtes zu verstehen, weshalb sie als Schüler bezeichnet werden. Mein Text richtet sich nicht an Schüler.
In diesem Konzept beschreibe ich, wie ich meine eigene Theorie in einem Projekt entwickle. Ich umschreibe zuerst den prinzipiellen Projektgegenstand und dann, wie ich ihn entwickeln werde. Den Projektgegenstand kann ich nur umschreiben, weil ich ihn bereits in irgendeiner Weise kenne. Ich weiss in einem umgangssprachlichen Sinn, was ich als Theorie bezeichne, sonst könnte ich nicht über meine Theorie nachdenken. Dass ich über meine Theorie nachdenken kann, zeigt mir umgekehrt, dass sie mir nur teilweise bewusst ist. Ich beginne die Beschreibung des Projektgegenstandes also auf dem mir aktuell gegebenen Vorwissen. Ich gehe davon aus, dass alle, die dieses Konzept je lesen, auch vorab wenigstens implizit wissen, was sie als Theorie bezeichnen.
Das Verfahren, das ich im Projekt verwende, ist logischerweise auch an den Projektgegenstand gebunden, setzt also auch voraus, was es als Verfahren hervorbringen wird. Überdies schreibe ich dieses Konzept nicht vorab, also nicht bevor ich mit der eigentlichen Projektarbeit beginne, sondern während ich bereits an meiner Theorie arbeite. Auch in diesem Sinne ist das Konzept theoretisch belastet. Nicht nur meine Theorie reflektiert, was ich bereits mache, sondern auch das Konzept dazu. In seiner je aktuellen Version beschreibt das Konzept die beabsichtigte Projektarbeit. Wenn sich unterwegs zeigt, dass das Projekt andere Wege geht, werde ich das Konzept anpassen. Ich werde solche Entwicklungen aber sichtbar machen, indem ich allfällige Korrekturen im Konzept kennzeichne.
Meine Theorie ist ein Text darüber, wie ich mein Beobachten beobachte. Der Gegenstand der Projektes ist zunächst ein Text, jenseits davon, was im Text behandelt wird. Als Text ist der Projektgegenstand ein Artefakt, das aus materiellen Zeichenkörpern, beispielsweise aus Graphitstrukturen besteht, die hergestellt werden. Umgangssprachlich könnte man sagen, dass ein Text eine Beobachtung beschreibt. Ich verwende den Ausdruck beobachten dagegen - in vager Anlehnung an die Kybernetik 2. Ordnung (10) - in einem etwas anderen Sinn. Als eigentliches Beobachten bezeichne ich eine textherstellende, gegenständliche Tätigkeit, in welcher ich Unterscheidungen bezeichne, die ich dann im Hinblick auf Kategorien beobachten kann. Die umgangssprachliche Metapher "beobachten" interpretiere ich als Verkürzung, in welcher nur noch Teile oder Aspekte des eigentlichen Beobachtens gemeint sind. Die Herstellung von Text wird in der umgangssprachlichen Verkürzung zunächst auf Sprechen reduziert und schliesslich sogar auf ein bewusstes Wahrnehmen, wofür ich die Wörter schauen oder betrachten verwende. Im umgangssprachlichen Sinn nehme ich beim Beobachten Dinge, Eigenschaften oder Verhältnisse wahr, die ich bezeichnen könnte, die ich aber eben auch nur wahrnehmen kann. Auch wenn ich sprechend bezeichne, was ich wahrnehme, übe ich damit keine herstellende Tätigkeit aus. Sprechen wird nur zu einer herstellenden Tätigkeit, wenn ich dabei eine Maschine verwende, die die gesprochenen Worte in einen Text transformiert. Dann spreche ich aber nicht von sprechen, sondern von diktieren. Gleichgültig wie ich einen Text herstelle, kann ich davor über Dinge und Eigenschaften nachgedacht haben, die ich wahrgenommen habe. Aber hier interessiert mich das Beobachten als Schreibtätigkeit.
Wenn ich mein Beobachten so beobachte, setze ich ein wohl vorgängiges, aber sicher ein zweites - simultanes - Beobachten voraus, weil ich zwar mehrere Texte parallel schreiben, aber immer nur an einem Text schreiben kann. Ich schreibe diesen Text, in welchem ich beobachte, wie ich einen anderen Text schreibe, während ich den anderen Text schreibe. Der Text, dessen Herstellung ich hier beobachte, hat den Titel "Schrift-Sprache". Darin behandle ich die materielle Textherstellung. Dort beobachte ich, dass Texte mit verschiedenen Werkzeugen hergestellt werden, mit einer Feder, einer Schreib- oder mit einer Buchdruckmaschine. Im vorliegenden Text mache ich mir die Textherstellung als Tätigkeit im Sinne einer dort verwendeten Kategorie bewusst. Text sehe ich als bewusst hergestelltes Produkt, in welchem die Herstellung wie in jedem Produkt aufgehoben ist. Die Unterscheidung zwischen Produktion und Produkt, hier also zwischen Schreiben und Text, sehe ich als Explikation der Kategorie des Herstellens.(11)
Wenn ich hier schreibe, was ich in einem anderen Text schreibe, sage ich in gewisser Weise das gleiche nochmals. Ich mache damit keine neue oder andere Beobachtung, ich wiederhole sie. Deshalb spreche ich dabei auch nicht von einer 2. Ordnung.
Als Theorie bezeichne ich das Beobachten von Kategorien. Der Gegenstand dieses Projektes repräsentiert die Kategorien, die ich in einem beobachteten Text verwende, aber - vorerst hypothetisch - als für mein Beobachten allgemein erachte.(12) Umgangssprachlich wird "Theorie" nicht für eine Beobachtung verwendet. Als Theorie gilt viel mehr das Resultat einer je bestimmten Beobachtung, das eine Lehre oder Dogma darstellt. Die darwinistische Evolutionstheorie etwa - die eben keine Theorie im hier gemeinten Sinne ist - impliziert, wie ich beobachten muss, wenn ich sehen will, dass Menschen von Affen abstammen oder wenn ich sehen will, dass die Tüchtigen überleben. Ich verwende den Ausdruck Theorie dazu quasi invers. Wenn ich schreiben würde, dass Menschen von Affen abstammen, würde ich in meiner Theorie nach den dazu passenden Kategorien suchen. Die Perspektive in der Evolutionsgeschichte, die C. Darwin sich in Herrschaftsmanier von A. Wallace angeeignet hat, ist jene eines hilflosen Züchters mit sehr viel Geduld. J. Lamarck dachte noch, dass der Schöpfer die Zucht nicht dem Zufall überlässt, während die Kreationisten den Schöpfer sogar noch als Hersteller, nicht nur als Züchter sehen. C. Darwin, J. Lamarck und die Kreationisten beschreiben, wie der Mensch entstanden ist. Dass und was sie dabei denken, interessiert sie nicht - jedenfalls nicht so, dass sie ihre Kategorien explizit als kontingent erwägen. In meinem - hier noch konzeptionellem - Theorieverständnis, folgt die Theorie als Reflexion solcher Beobachtungen. Als Theorie bezeichne ich, dass die in der Geschichte von C. Darwin gemeinte Evolution durch die - in jeder Zucht relevanten - Kategorien Differenzierung und Selektion beobachtet wird.(13)
Jede Theorie im hier gemeinten Sinne ist die Theorie eines Beobachters. Eine bestimmte Theorie kann aber von verschiedenen Beobachtern als adäquate Beschreibung ihres Beobachtens gesehen werden. Jeder Theorietext wird von jemandem geschrieben. Aber wenn der Text vorliegt, ist der Schreibprozess aufgehoben. Die Bedeutung des Textes liegt dann unabhängig davon, was der Autor gemeint hat, im Text und wird in jedem Lesen durch den jeweils Lesenden realisiert. Beim Lesen irgendeines Textes frage ich mich, ob und unter welchen Umständen ich den Text auch so schreiben würde. Ich eigne mir so die Bedeutung des Textes in der Vorstellung an, dass ich den Text auch so geschrieben hätte - und dabei gewusst hätte oder weiss, was ich so zur Sprache bringe.
Gegenstand meines Projektes ist mithin kein psychologisches, geistiges oder mentales Phänomen, sondern ein in gewisser Hinsicht immer unvollständig bleibender Text. Ich betrachte den Text und mithin das Projekt für abgeschlossen, wenn ich den Text abschliesse, ihn beispielsweise als Buch publiziere. Das ist ein etwas vages und auch beliebiges Abschlusskriterium für das Projekt. Ich betrachte es aber für hinreichend, weil ich abschätzen kann, wann ich aus einem Text ein Buch mache oder ihn wenigstens - aktuell - nicht weiter entwickeln würde.(14)
Weil die Theorie der Theorie auch selbstbezüglich ist, muss sie auch die verwendeten Begriffe einführen. Die Begriffe sind Bestandteil der Theorie, mein Hyperlexikon dient dabei der Kontrolle. Die Theorie ist mithin auch eine Explikation der Begriffe, die zeigt, wie die Ausdrücke verwendet werden und insbesondere, wie diese Verwendung der Ausdrücke durch die Theorie bestimmt ist. In diesem Sinne ist jede Theorie auch eine Reflexion der verwendeten Sprache, die eine je bestimmte Auffassung davon zeigt, was als Sprache beobachtet wird.
Ich schreibe meine Theorie, während ich an einem Text über das Schreiben schreibe, weil ich so fortlaufend beobachten kann, wie sich meine Theorie mit meinem Schreiben verträgt. Die Theorie soll nicht etwas vorab Geklärtes darstellen, sondern sich zusammen mit dem Text über das Schreiben entwickeln, so dass ich jeweils den Text oder die Theorie anpassen kann. Da meine Theorie auch in Form eines Textes erscheint, muss sie in gewisser Weise auch sich selbst genügen.
Ich beobachte zunächst nicht bereits von mir geschriebene Texte, weil ich dabei nur die Theorie anpassen könnte, oder aber die bereits vorhandenen Texte kritisch umschreiben müsste, was auch einem Neuschreiben gleichkommen würde. Ich beginne deshalb mit einem einzelnen und überdies erst entstehenden Text, auch weil ich so den Inhalt des Textes auch theoretisch bewusster wählen kann und bei dessen Schreiben mir bereits theorietheoretische Gedanken machen kann. Aber schliesslich geht es darum, meine Theorie in allen meinen Texten zu erkennen, respektive darum, meine Texte insgesamt oder die Theorie entsprechend nachzuführen.
Und natürlich schreibe ich auch Texte wie Einkaufszettel oder Computerprogramme, die hier nicht in Betracht kommen, oder Liebesbriefe und Gedichte, die ich hier auch nicht beobachte. Ich beobachte für meine Theorie also nicht alle Texte. Das heisst aber auch, dass ich ein Kriterium dafür brauche, was hier als zu beobachtender Text in Frage kommt. Ich könnte dafür Textsorten definieren, ich verwende aber ein pragmatisches Kriterium, das sich durch mein Verfahren mit dem Hyperlexikon insgesamt ergibt. Die Texte, die ich hier in Betracht ziehe, sind Hypertexte, die ich mit meinem Hyperlexikon verlinke.
Im Lexikon schreibe ich Definitionen. Das sind sehr einfache, klar strukturierte Formulierungen, auch wenn ich sie nicht immer einfach finden und nicht immer einfach umgesetzt finden kann. Wenn ich beispielsweise in einem Text den Ausdruck Text verwende, prüfe ich durch die Verlinkung, ob diese Verwendung mit meinem Lexikoneintrag verträglich ist. Definitionen kann ich in Hinblick auf Kategorien sehr gut beobachten, weil sie einerseits Unterscheidungen explizit machen und andrerseits auch zeigen, wo Oberbegriffe fehlen. Natürlich ist extrem unwahrscheinlich, dass ich unbewusst immer dieselben Kategorien verwendet habe und dass die von mir verwendeten Kategorien sich in einer Theorie zusammenbringen lassen. In diesem Sinne ist die Entwicklung der Theorie ein Prozess, in welchem sich zeigt, dass ältere Texte zu überarbeiten wären, oder evolutionär rezent sind, bis sie aussterben.
Die Texte, die ich aktuell schreibe, also den vorliegenden und das Sachbuch, schreibe ich natürlich bewusst so, dass sie zum je aktuellen Lexikoneintrag passen. Das von mir verwendete Verfahren ist in dem Sinne unentwickelt, dass im Lexikon nicht steht, wo ich die Begriffe bereits verwendet habe. Wenn ich einen Begriff im Lexikon verändere, ergibt sich eine Inkonsistenz, die jener von älteren Texten entspricht. Die Konsistenz der Begriffsverwendung unterliegt derselben Dialektik wie die Entwicklung der Theorie.
Schliesslich führt das gewählte Verfahren dazu, dass in gewisser Weise in den drei Texten dasselbe steht, auch wenn die Formulierungen verschieden sind.