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1. |
H. Maturana formuliert pragmatisch kurz: "Ein Beobachter ist ein menschliches Wesen, eine Person, jemand, der Unterscheidungen machen und präzise angeben kann, was er als eine von ihm selbst verschiedene Entität (ein Etwas) betrachtet, der dies hinsichtlich seiner eigenen Handlungen und Gedanken in rekursiver Weise tun kann, und der stets imstande ist, all dies so zu tun, als ob er ausserhalb der gegebenen Situation stünde (bzw. von dieser getrennt wäre)" (Erkennen:139). Damit grenzt er den Beobachter einerseits auf Menschen ein, andrerseits gibt er ihm dadurch viele Konnotationen mit, die zu Missverständnissen führen können. N. Luhmann versucht diesen Missverständnissen auszuweichen. Mit seinen Vorschlägen "Bewusstsein"oder "psychisches System" anstelle von "Mensch" zu setzen, käme ich aber vom Regen in die Traufe (vgl. dazu auch die Anm 2 zu Aussage), und ausserdem verliese ich meine Theorie sozialer Systeme. zurück |
2. |
Anfänglich war in der Systemtheorie von einem "aussenstehenden Beobachter" die Rede, vom Wissenschaftler, der ein System modelliert. H. Maturana hat dann nur noch vom "Beobachter" gesprochen. Mit seinem (trivialen) Postulat, wonach "jede Aussage von einem Beobachter stammt" (1982:34 und 148), das 1970 wie eine Bombe in die Wissenschaft einschlug, hat er die Beobachterinstanz nicht nur namentlich eingeführt, sondern auch eine sprachliche Komplikation produziert, weil er die Tätigkeit des Wissenschaftlers rezeptiv als Beobachten statt produktiv als Konstruieren bezeichnete. Sinnigerweise wird H. Maturana doch oft zu den Konstruktivisten gezählt.
H. Maturana sagt: "Jede Aussage stammt von einem Beobachter". Ich sage zusätzlich: "Alle Beobachter können Aussagen machen". H. Maturana bestimmt, was er als Aussage zulässt, ich bestimme, was ich als Beobachter zulasse. Als Beobachter kann man sich in diesem terminologischen Sinne immer ein beliebig abstraktes Wesen vorstellen, das gerade noch Aussagen machen kann. Die Abstraktion wird oft überdehnt, so dass auch Institutionen und Organisationen wie Familien oder Unternehmen, "funktionale Systeme" wie Kunst, Religion, Gesellschaften usw. eigeschlossen werden, die ihre Rede durch spezifische Organismen, die dann etwa Rollenträger genannt werden, zum Ausdruck bringen. Wenn ein Pressesprecher zum Unternehmen gehört, kann man in diesem metaphorischen Sinn sagen, dass das Unternehmen spreche, wo er spricht. Die Rechtsprechung und die dahinterliegende Moral reflektiert die Bedeutungslosigkeit von Menschen in sozialen Systemen. Deshalb wird der Unternehmenssprecher nicht verantwortlich, wenn er anstelle des Unternehmens spricht. Natürlich ist die Praxis beliebig beliebig. Oft werden - wie in der griechischen Sage - die Ueberbringer der Botschaft gerichtet, wie etwa die DDR-Soldaten, die im Namen ihres Vaterlandes auf Flüchtlinge an der Mauer geschossen haben. N. Luhmann findet uninteressant, wer spricht (ausser natürlich bei monetären copy"rights"), bei ihm spricht es durch den Autor, wobei gleichgültig ist, wessen Gedanken der Autor äussert, was gerade die Bedeutung des Ausdrucks Autor ausmacht. In der soziologischen Systemtheorie von N. Luhmann wird die Frage nach dem Beobachter gerade nicht gestellt, weil dort Paradoxien kommunikatives Potential zugeschrieben wird. Die Frage ist dort, welche Unterscheidungen einer Beobachtung zugrunde liegen, aber gerade nicht, wer die Beobachtung macht. Der Teil des Form-Kalküls von G. Spencer-Brown, auf welchen sich N. Luhmann bezieht, dient ja der Auflösung von Paradoxien. Paradoxien entstehen aber natürlich nur dadurch, dass man den Beobachter weglässt. Wenn ich den Beobachtenden - der Objektivität zuliebe - ganz verschwinden lasse, entstehen Zeno's Paradoxien, und wenn ich ihn als Aussagenden ausblende, entsteht die Kreter-Paradoxie. Die Paradoxien verschwinden, wenn ich den Beobachter einführe, wenn ich also sage, wer welche Phänomene in welcher Perspektive für wahr nimmt (vgl. Todesco, R: Lügen alle Kreter?). Die soziologische Systemtheorie von N. Luhmann lässt sich unter diesem Gesichtspunkt diskursiv (im Sinne von M. Foucault) interpretieren: Der Beobachter wird spezifisch tabuisiert, damit ein Wahrheitsdiskurs, der durch Kontigentierungen aufgehoben wird, möglich wird. M. Foucault hat die victorianische Tabuisierung der Sexualität in die Funktion gestellt, Wissen zu schaffen. Die Tabuisierung des Beobachters ermöglicht ein Normalität der gesellschaftlichen Verhältnisse. zurück |
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