Als Politik erscheint vordergründig eine Art Theater, in welchem sich Politiker (Persona, Charaktermasken, Rollenträger) in dem Sinne bekämpfen als sie Parteiinteressen in Machtdispositionen aufheben, die in Legalitäten - vorab in Wahlen oder Geburtsrechten - inszeniert werden.
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Als Politik bezeichne ich einen Handlungszusammenhang, in welchem "vergesellschaftetes Haushalten" beobachtet wird.
Innerhalb eines gemeinen Haushaltes (als Oikos) gibt es keine gesellschaftlichen Verhältnisse, also weder Tauschwerte noch Verfassungen. Nachdem der Haushalt aber politisch gesehen wird, muss er auch innen verfasst werden, wodurch der gemeine Haushalt in dem Sinn privat wird, dass er kein beobachtbares Innen hat, während der politische Haushalt innen und aussen als System und Umwelt unterscheidet. Die Leitdifferenz der Oikonomie ist politisch versus privat, was mitmeint, dass sich der gemeine private Haushalt auch ausdiffenziert, etwa wenn Frau und Kinder Sackgeld als “Lohn” bekommen, was als Spiegelung des Politischen eine Konstitution von Tauschwert impliziert.
Die Polis
Im na(t)iven Fall referenziert der Ausdruck "politisch" das Buch "Politik" von Aristoteles, in welchem anhand von Verfassungen beschrieben wird, wie in der Polis die Oikos aufgehoben sind, so dass die Polis als verfasster Oikos erscheint.
In der Polis, die Aristoteles als politischen Haushalt beschrieben hat, sehe ich zunächst eine simple Projektion des Umstandes, dass private Haushalte - die die Metapher "Haushalt" spenden - eine kritische Grösse haben, bei welcher sie unrentabel werden, respektive den privaten Pateriarchen überfordern. Solange der Haushalt - in dieser Projektion - ein "Haus" betrifft, das nach innen als Familia einem Pateriarchen - im Sinne der Nemesis - zugerechnet wird, gilt sozusagen ein Naturrecht, nach welchem sich das Haus durch Bewirtschaftung der Natur gedeihend reproduziert. Das "Haus" kann wachsen, indem es weitere Aneignungen macht.
Die Grenzen des autopoietischen Wachstum eines Hauses erscheinen als Ressourcenverknappung, also wo bewusst wird, dass jede Aneignung Enteignung ist. Der Pateriarch hat innen- und aussenpolitische Probleme, die er in einer Polis vergesellschaften kann, wenn die Aufhebung des dann als privat erscheinenden Haushaltes in einer Polis günstiger werden als Aneignungen in Form von Unterdrückung nach innen und Krieg nach aussen.
Dieses Abwegen wird gemeinhin als Oikonomie bezeichnet, was Lehre vom Haushalt heisst - der nach aussen natürlich wiederum Natur aneignet, bis er auf die nächste Polis trifft.
Die Polis ist so gesehen ein rechtlicher Verbund naturrechtlicher Eigentümer von Haushalten, in welchem sich die Eigentümer gegenseitig als solche akzeptieren, solange das die ökonomischste Verhaltensweise ist. Die Polis organisiert diese Akzeptanz, die einerseits durch Teilbündnisse (Parteien) und andrerseits durch ökonomisch beschriebene Übernahmen aufgehoben wird. Bei Aristoteles - der nichts anderes kennt - ist die Polis die notwendige Voraussetzung der Eudaimonia (eu zen, gelingende Lebensführung) und mithin der Sinnhorinzont des menschlichen Leben, das sich innerhalb eines Oikos nicht erfüllen kann. Der Pateriarch jedes Oikos ist notwendigerweise ein politische Individuum, wenn er nicht wie ein Tier oder ein Barbar ausserhalb der politischen Gesellschaft lebt.
Die dramatische Version hat Homer entwickelt. Der Troja-Heimkehrer Odysseus tötet die Freier, welche sein Pateriachat "erben" wollten, während er zusammen mit anderen Fürsten weitere Polis erobern wollte, was sich als logistisch aussichtsloses Unterfangen erwies. Die Troja-Geschichte reflektiert, dass die Polis nicht weiter integrierbare Einheiten bilden. O. Höffe beispielsweise wirft Aristoteles vor, dass er keine panhellenische Perspektive habe, was umso erstaunlicher sei, als sie für beide Ziele der Politik notwendig sei: sowohl für das Überleben (zen) der einzelnen Polis, als auch für ihr gelungenes Leben (eu zen). Ich finde diesen Vorwurf erstaunlich oder vielleicht "welt-utopisch" im Sinne einer Supra-Polis, solange wir selbst im nationalistischen (Finanz)Weltkrieg stecken.
Die Vorstellung der Polis als Oikos ist in dem Sinne na(t)iv, als im Oikos nicht getauscht werden muss. Die Polis privater Hausvorstände ist eine Fiktion, in welcher gemeinsame kriegerische Aneignungen geteilt werden, deren Ganzes gösser ist als die Summe der Teile, die die Patrirchen alleine erobern könnten. In seiner reaktionären Vision hat Aristoteles die Polis als ursprünglicher geschildert als die freien Bürger, die sich darin verbinden, weil er erkannte, dass die Polis aufgrund von Vereinbarungen von ursprünglicheren Privaten nicht möglich ist. Die sich verbündenden Hausvorsteher bringen durch ihr Bündnis nicht die Polis hervor, sondern sich selbst als private Subjekte der Polis, die sie jederzeit unterwerfen, wenn sie es können.
Die "grossen" Pateriarchen, wie etwa Alexander der Grosse, der eine Art ebenso fiktives Gegenmodell zur Polis geschaffen hat, halten sich eine gewisse Zeit, dies aber ist vor allem ein Resultat von Geschichtsschreibungen. Das Pateriarchat ist seiner Grösse nach an die Reichweite des Pateriarchen gebunden. Deshalb lösen sich die Patriachate in Form ihrer Pateriarchen auf. Alexanders Reich ist wie das alte Rom nie zerfallen, weil es gar nie hinreichend stabil war, dass es zu einem späteren Zeitpunkt hätte zerfallen können. Solche Reiche existierten in den Köpfen ihrer Pateriarchen und verschwanden zusammen mit ihnen, um in der Geschichte verewigt zu werden.
Die Projektion der Polis passt auch sehr gut zur imperialistischen Aussenpolitik der Nationalstaaten, die sich beispielsweise als Commonwealth (of Nations) oder als EU verstehen. Die Polis ist - ebenso wie Aristoteles, der in einer Polis gelebt hat - eine Konstruktion der Re-Naissance, in welcher Nationalstaaten erfunden wurden.
Die Autopoiese der Verwaltung
Ein entwickelteres Verständnis der Haushalts-Auffassung von Politik hat ihren dialektischen Ursprung in der als Merkantilismus beschriebenen Welt, in welcher vordergründig private Haushalte von Fürsten in "politische" Haushalte umgewandelt wurden. Dabei geht es nicht wie in der Polis-Geschichte um sozusagen aussenpolitische Bündnisse mit anderen Fürsten, sondern quasi innenpolitisch darum, dass die Verwaltung, die Zölle und Steuern für den Fürsten eintreibt, einen Teil davon am privaten Haushalt des Fürsten vorbeigelenkt, indem sie sich direkt von den Einnahmen bezahlt, und dem Fürsten nur noch gibt, was des Fürsten ist. Das Geld der Verwaltung kommt so nicht mehr in die Kasse des Fürsten und die Beamten werden nicht mehr vom Fürsten bezahlt, obwohl sie für oder im Auftrag des Fürsten arbeiten.
Narrativ hat diese Geschichte zwei Richtungen. Einerseits sind es Beamte, die den Haushalt (Hof) eines Fürsten verwalten und diesem erklären, wie er durch die Verselbständigung der Verwaltung reicher werden könnte. Der Fürst willigt gerne ein und die Sache nimmt ihren Verlauf, beispielsweise als Heldengeschichte wie die der Fugger, die das Zollwesen organisieren und dabei viel reicher werden als jeder Fürst.
Andrerseits sind es Fürsten, die ihren Beamten erklären, wie diese reicher werden könnten, wenn sie nicht mehr aus den Taschen des Fürsten leben. Eine "schöne" Geschichte dazu ist die Erfindung von Elisabeth I., die F. Drake als Freibeuter hervorgebracht hat, der sozusagen auf eigene Rechnung für sie und für England Krieg führte und dabei sein eigenes Geld statt jenes der Königin verlor, während er, solange er mit seinem Sklavenhandel noch Gewinn machte, die Königin, die von seiner Piraterie nichts wusste, beteiligen musste.
Vordergründig geht es um eine Art "Vergesellschaftung" von Verwaltungskosten, vor allem der Kosten der stehenden Kriegs- und Beamtenheere in einem eigenständigen Finanzkreis, in welchem die Verwaltung und die Armee für ihre Aufwände aufkommen und nicht den Haushalt des Fürsten belasten. Eigentlich ist es ein Nullsummenspiel, aber beide Parteien können mit Vorteilen rechnen, wie die beiden obigen Geschichten zeigen. Die Selbstfinanzierung der Verwaltung jenseits der privaten Finanzen des Fürsten bringt eine selbständige Verwaltung hervor, die eben nicht privat, sondern politisch ist. Politisch steht dabei für die Differenz zwischen politisch und privat, wobei politisch jetzt die Verwaltung von nicht Privatem bezeichnet.
Konventionellerweise wird eine andere Geschichte erzählt, in welcher sich die Fürsten bei Bürgern verschulden und so allmählich Mut, Gut und Blut verlieren, während die spartanischen Bürger - die treffender als Bourgoisie bezeichnet werden - den Grundstock des künftigen Kapitals gewinnen. Gerade in England aber, wo das Königshaus immer reicher wurde, entwickelte sich der Kapitalismus zuerst, während die Fugger wie die Medici nur Banker wurden.
Die "politische" Verwaltung hat sozusagen ein eigenes Hoheitsgebiet, das räumlich mit dem Fürstentum übereinstimmen kann, aber eine eigene Konstitution hat, die den Finanzverkehr regelt und durch die Armee sicherstellt, die dann auch nicht mehr dem Fürsten gehört, sondern zunächst eine Art Freibeuterstatus hat, der durch die Verfassung begrenzt wird. Die konstitutive und zugleich generellste Verwaltungsaufgabe besteht in der Herausgabe von nationalem Geld, was als Währung durch die Armee geschützt wird. Das Geld wird politisch, indem es nicht mehr als Siegel des Fürsten dient, sondern von einer Nationalbank verwaltet wird.
Das von den Merkantilisten beschriebene Geld gehört niemandem, es ist Medium im engeren Sinne des Wortes, weil es gedeckt ist. Es könnte von der Nationalbank jederzeit zurückgenommen und vernichtet werden, ohne dass irgend jemand irgendetwas gewinnen oder verlieren würde. Darin motiviert sich der merkantilistische Begriff der politischen Ökonomie.
Als Politik erscheinen so Handlungen, die dazu dienen, Verwaltungsentscheidungen durchzusetzen und die erforderliche Machtbasis für die Durchsetzung sicherzustellen. Die Politiker kontrollieren als Behörden die politische, also die nicht private Verwaltung. Wenn die politische Verwaltung eine hinreichende Stabiltät erreicht, so dass sie in einer Verfassung beschrieben werden kann, spreche ich von einem Staat. Der Staat ist eine Nation, wenn eine Nationalbank und mithin eine Währung gegeben ist.
Die grundlegenden politischen Handlungen bezeichne ich als Verstaatlichung und Privatisierung, wobei der Ausdruck Verstaatlichung nicht den Staat meint, sondern die entprivatisierte Verwaltung. Politik heisst der merkantilistische Prozess, der die Verwaltung aus der Obhut von bezeichneten Hausvorständen (Monarchen) herausführt und die Funktion des Hausvorstandes gewährleistet.
Jede Verwaltung verwaltet Finanzen.
Hier kommt noch die Geschichte der Geschichte: In den Nationalstaaten wird Aussenpolitik zu einem wichtigen Bestandteil. Dabei bewährt sich unverhoft die naive Vorstellung eines Bündnis unter Gleichen, so dass Politik als "Polis" erscheint, in welcher sich Staatspräsidenten zusammentun, etwas in der EU oder in der UNO - ganz so wie die Fürsten in der Antike.
Kritische Anmerkungen
Eine ganz unverblümte Definition gibt das "Politlexikon":
"Bezogen auf moderne Staatswesen, bezeichnet Politik ein aktives Handeln, das a) auf die Beeinflussung staatlicher Macht, b) den Erwerb von Führungspositionen und c) die Ausübung von Regierungsverantwortung zielt."
(Schubert, K./Klein, M.: Das Politiklexikon. Dietz 2006)
In umgekehrter Reihenfolge: Ich will regieren, ich kämpfe dafür an die Macht zu kommen, ich versuche die Machthalter zu beeinflussen. Das ist ungefähr das, was gemeinhin als Machiavellismus bezeichnet wird.
Politik wird in diesem pervertierten Sinn oft als "Machtpolitik" bezeichnet. Die im gegebenen Kontext redundante Vorsilbe "Macht" zeigt an, dass gerade nicht Politik gemeint ist, dass aber umgekehrt Machtkämpfe als Politik bezeichnet werden.
Die pragmatische Politikwissenschaft unterscheidet Polity, Policy und Politics
- Policy: Policy bezeichnet eine inhaltliche Dimension, die in einer Police beschrieben werden kann. Etwa: Gesundheits oder Energiepolitik.
- Politics: Politics bezeichnet eine prozessuale Dimension. Etwa das es Wahlen oder Abstimmungen gibt oder das Gerichte über die Verfassungmässigkeit entscheiden.
- Polity: Politybezeichnet eine institutionelle Dimension. Etwa dass es eine Verfassung, Gesetze, Bundesräte usw gibt.
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