Differenztheoretische Notation        zurück ]      [ Stichworte ]      [ Die Hyper-Bibliothek ]      [ Systemtheorie ]         [ Meine Bücher ]

Die hier beschriebene und im diesem Lexikon an manchen Stellen verwendete differenztheoretische Notation stammt aus dem eigenartig mystischen Pseudo-Kalkül von G. Spencer Brown wurde vor allem durch D. Baecker propagiert (zb ausführlich in Formen der Kommunikation).

differenztheoretisch

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Die Operation "markiert" eine Seite der Unterscheidung. Sie impliziert die Anwendung eines Kriteriums im Bereich einer markierbaren Menge.

Anschaulich: Ein Blatt Papier wird durch eine gezeichnete Linie in zwei Teile zerlegt, wovon der eine Teil mit "oben" bezeichnet wird.

Im hier dargestellten Geld-Beispiel: Das, was ich als Geld auffasse, teile ich in zwei Formen von Geld. Die Einheit der Unterscheidung ist Geld. Das Kriterium ist, ob das Geld in materieller Form (oder nur in Buchform) vorliegt. Ich bezeichne durch die Unterscheidung das materielle Geld als Geld und das Buchgeld ist dann das Andere (sozusagen das Nichtgeld). Dann bezeichne ich das Andere, das durch die Unterscheidung ausgeschlossen wird, in einem re-entry als Geld, indem ich es Giralgeld nenne.

G. Spencer-Brown verwendet die Notation für seine Erweiterung der Algebra. Er macht keinerlei Aussagen über die Welt, wenn man davon absieht, dass Algebra eine Schaltlogik darstellt. Die Erweiterung von G. Spencer-Brown hat in der Schaltlogik keine Entsprechung, sie wird aber von Philosophen erkenntnistheoretisch als selbstreferenzielle Operation interpretiert, was als Autopoiesis bezeichnet wird.

In der Systemtheorie von N. Luhmann wird die Notation für Beobachtungen verwendet, die das System konstituieren. Die Soziologen beobachten solche Beobachtungen. Wer die Beobachtungen wozu macht, wird nicht, respektive als blinder Fleck beobachtet.

In der kybernetischen Systemtheorie wird die Notation für dagegen verwendet, um den Beobachter in dem Sinne zu charakterisieren, dass dessen Unterscheidungen beobachtet werden. Während in der Systemtheorie von N. Luhmann Menschen keine Rolle spielen, werden sie in der Kybernetik als politische Wesen aufgefasst, die ihre Arbeit in der Technik aufheben. Im ersten Fall sind die Kategorien zufallsmutierte (kontingente) Produkte einer Evolution, im zweiten Fall sind die Kategorien im historischen Prozess entwickelt.

Die Notation wird also in extrem verschiedenen Auffassungen verwendet. Sie referenziert lediglich die verwendeten Unterscheidungen.

1) Differenz als Resultat einer Beobachtungsoperation

Beispiel:
System := System/Umwelt (Ein System ist die Differenz zwischen einem System und seiner Umwelt)

Man kann das etwa so lesen: Wenn ich System sage, bezeichne ich die Unterscheidung zwischen System und Umwelt. Diese Art der Vereinbarung von Ausdrücken zitiert also eine Unterscheidung, die als Beobachtungs-Operation beschrieben wird. So spreche ich nicht über das System an sich, also nicht über eine "ontologische Wesenheit", der ich Eigenschaften zuordne, sondern ich spreche über eine Beobachtung, die eine Differenz einführt, das heisst, ich mache eine Beobachtung 2. Ordnung, in welcher ich die Unterscheidung einer (implizierten) Beobachtung beobachte. (Ein ausführlicheres Beispiel: Risiko := Risiko/Gefahr).

Man kann System natürlich auch von etwas anderem abgrenzen. Man beobachtet dann aber ein anderes System als dasjenige, das duch die Unterscheidung System/Umwelt gesehen wird. Daraus folgt, dass die Differenztheorie keinen Systembegriff kennt, sondern nur Verwendungen eines jeweiligen "Systembegriffes", der in der Verwendung, sozusagen als Momentum entsteht. Die Frage ist nicht, was ist ein System, sondern mit welches Differenz wird gerade über ein System gesprochen.

Als Re-entry erscheint ein dennoch stabiler System-Begriff, wo mit System ausschliesslich eine und dieselbe Differenz bezeichnet wird, die einmalige Verwendung also quasi eingefroren wird.


Anhänge

ich denke da wohl wieder etwas einfacher: wenn ich "oben" sage, ist oben markiert. und die nicht markierte Seite ist "nicht oben", wofür ich den Ausdruck "unten" verwende. oben/unten ist dann keine vier-Seiten-Form, sondern die "oben-markiert- Form", die den nicht markierten Teil - erläuternd - auch benennt.

Ich unterscheide analog/digital wie ich oben/unten unterscheide. Egal welche Seiten-Bezeichnung des Paares ich verwende, ich meine die andere komplementäre Bezeichnung mit. Und spreche genau dann von Differenz. Die Distinktion (draw a distinction) zerlegt, die Benennung bezeichnet den zur handenen Teil der Zerlegung. Und Differenz bezeichnet beide Teile und die Distiktion - und mithin auch die Applikation.

Als "Erläuterung des Sprachgebrauches" sehe ich insbesondere die Benennung der nicht markierten Seiten. Wenn jemand "digital" sagt, frage ich mich, mit welchem Ausdruck er "nicht digital" bezeichnet, dann wie er die Distiktion zieht und worauf er das anwendet.

> Aber eine Differenz ist schnell erzählt: diskret/nicht-diskret.

Das ist schnell, erzählt aber eben nur den ersten Viertel der Geschichte.

By the way, mit der Notation von GSB hat das trotz "ausdrück"licher Verwandtschaft nicht so viel zu tun, weil ich ja keine Mathematik oder Logik betreibe, sondern in fungierender Ontologie über Sachverhalte spreche, also etwa (mit Goodman) darüber, dass ich einen Gegenstand durch einen Ausdruck oder durch eine Zeichnung re-präsentieren kann.
 
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