Von Sokrates gibt es keine Bücher - vielleicht gab es Sokrates trotzdem. Er hat jedenfalls die Schrift als Übel abgelehnt, falls er je gesprochen hat.
Sokrates (Athen um 470-399) hinterließ keine Schriften, da er nur mündlich lehrte, so daß über seine Philosophie nur andere Leute (v. a. Platon, auch Xenophon) Auskunft geben.
Sokrates wird ein Diskurs-Verfahren angelastet, das sokratischer Dialog genannt wird. Gemeint ist damit ein Schein-Dialog, oder eben das Gegenteil eines Dialoges. Das Verfahren, in welchem Wahrheit zutage gebracht wird, wird Mäeutik (Hebammenkunst) genannt. Sokrates verfuhr dabei in der Weise, dass der Fragende, obgleich er der Wissende ist, sich unwissend stellt, wobei er von dem Gefragten, als ob dieser wissend wäre, belehrt zu werden vorgibt. (siehe unten B. Skinner und Plato: Menon) In bezug auf sein eigenes Handeln berief sich Sokrates auf sein Dämonion (eine Art Gewissen), eine warnende Stimme, die, wenn er etwas Unrechtes zu tun im Begriff sei, sich vernehmbar mache. Da Sokrates das Sittliche auf die Selbstgewissheit des Menschen gründete (nicht auf Ordnungen wie Sitte, Staat, Religion), wurde er wegen Gottlosigkeit angeklagt und zum Tode durch den Schierlingsbecher (Giftbecher) verurteilt. Sokrates fungiert als Ethiker, der seine Ethik - im Unterschied zu den Sophisten - ausgesprochen hat. |
Textstellen:
"O Sokrates, das wußte ich schon, bevor ich dir begegnete, daß du nichts anderes bietest, als selbst in Aporie sein und andere darein zu stürzen. Auch jetzt übst du diese Behexung und Vergiftung und Beschwörung aus, daß ich ganz in Ratlosigkeit verstrickt bin. Und du kommst mir ganz und gar, wenn auch ich etwas spotten darf, an Gestalt und auch sonst wie der breite Meeresfisch vor, der Zitterrochen („Narkose“fisch – narkê) heißt. Denn auch der, wenn er einem nahe kommt, macht, daß man einen Narkose-Schlag bekommt."
"Auch glaube ich [O Sokrates], daß du gut daran tust, daß du weder zu Wasser noch zu Land von hier wegreisest; denn wenn du als ein Fremdling solche Dinge in einer anderen Stadt tun würdest, so würde man dir wohl gar als einem Zauberer den Prozeß machen." (Platon, Menon 80a)
Sokrates demonstriert die Mäeutik an der Erziehung (in Platons Dialog Menon). Er zeigt, wie ein ungebildeter Sklavenjunge dazu gebracht werdenkann, den Lehrsatz des Pythagoras zu beweisen. Der Junge stimmt den einzelnen Schritten dieser Beweisführung zu, und Sokrates erklärt, der Junge hätte das aus eigenem Ermessen getan - in anderen Worten, er hätte den Lehrsatz die ganze Zeit über (impizit) "gekannt". Sokrates behauptet, daß sogar ganz gewöhnliches Wissen auf dieseWeise hervorgelockt werden könne, da die Seele die Wahrheit kenne und ihr nur gezeigt werden müsse, daß sie sie kenne. Diese These wird häufig zitiert, als wäre sie für die moderne Erziehungspraxis relevant. Dieselbe Metapher taucht auch in Theorien der Psychotherapie auf. Dem Patienten soll nicht gesagt werden, wie er sich wirksamer verhalten könnte; ihm sollen keine Anleitungen zur Lösung seiner Probleme gegeben werden; die Lösung liegt von vornherein in ihm selbst, und nun kommt es nur darauf an, sie mit Hilfe der Heb-ammen-Therapeuten hervorzulocken. Ein Autor hat das folgendermaßen formuliert: «Freud hat mit Sokrates drei Grundsätze gemeinsam: Erkenne dich selbst; Tugend ist Wissen; und die mäeutische Methode der Hebammenkunst, die natürlich der [psycho-] analytische Prozeß ist.» In der Religion gibt es ähnliche Verfahren in Verbindung mit einem Mystizimus: Man braucht nicht Gebote zubefolgen, wie es die Orthodoxie verlangt; richtiges Verhalten wird inneren Quellen entströmen. B. F. Skinner. Jenseits Von Freiheit Und Würde (S. 89f ).
[ hier folgt ein ausführliche Kritik - die für den Dialog relevant ist. Der Kontrolleur als
[wp]