Der Ausdruck Hypostasierung wird in den Philosophien sehr verschieden verwendet. Ich verwende ihn hier sprachkritisch, was nichts mit Seinsweisen zu tun hat, sondern Sprechweisen reflektiert. Andere Verwendungen:
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Als Hypostasierungen bezeichne ich Begriffe, deren Referenzobjekte keine Beschreibungen von materiellen Gegenständen, also Verdinglichungen sind.
Hypostasierungen erzeugen Referenzobjekte, die nur in der Vorstellung erscheinen.
Beispiel:
Als Wald bezeichne ich eine Anhäufung von Bäumen. Es gibt den Wald als Hypostase, aber ich kann ihn nur sehen, wenn ich nicht "lauter Bäume" sehe. Den Wald gibt es als referenzierten Gegenstand, weil ich so über zusammenstehende Bäume spreche. Der Wald ist im Unterschied zu den Bäumen nichts, was ich anfassen kann.
Hypostasierung werden mit Substantiven bezeichnet, was sich als Verdinglichung oder Reifizierung interpretieren lässt. Oft werden Substantivierungen verwendet. Typische Beispiele sind Substantive, die auf -ung, -keit oder -heit enden.
Beispiel:
Freiheit von frei (sein)
Gleichheit für gleich sein
Länge abgeleitet von "lang (sein)”
Hypostasierungen sind oft unproblematisch, weil sie als solche erkannt werden. Ich spreche beispielsweise ohne weiteres von der Länge eines Gegenstandes und meine damit selbstverständlich sein "lang sein".
Eine spezifische Klasse der Hypostasierung sind Materialbezeichnungen.
Beispiel:
Metall für "metallig (sein)”. Metall ist, was gläntz, Strom leitet, .. Metall bezeichnet Eigenschaften eines Gegenstandes, der anfassbar ist.
In diesem Hyperlexikon verwende ich Hypostasierung sehr oft zur Aufhebung von Wörtern, deren Verwendung ich nur so plausibel erläutern kann. In diesen Fällen führe ich die Hypostasierung auf Tätigkeiten wie etwa Messoperation zurück.
Beispiel:
Was eine Zahl sein soll, weiss ich nicht. Ich weiss aber, was ich als Zählen bezeichne.
Umgangssprachlich wird in solchen Fällen oft von "Objekten des Denkens" oder von "mathematischen Objekten" gesprochen.
Hinweis:
Die Hypostasierung ist - wie die Metapher - ein Lieblingsthema der Sprachkritik, und wird oft (und oft zurecht) als sprachliche Verdinglichung (Reifizierung) kritisiert, wo nicht die Wortart, sondern die Begrifflichkeit gewechselt wird, so dass aus Eigenschaften Substanzen oder Subjekte werden.
Beispiel:
“Vernunft” anstatt “…ist vernünftig”. “Die Vernunft, die dann beispielsweise sprechen kann, sagt mir, ich soll vernünftig sein”.
Literatur:
Hypostasierung: "Verdinglichung von Gedanken, insbesondere Verwechslung von Inhalt und Bezeichnetem (in Bezug auf das semiotische Dreieck). Von Leisi (1952:26) aus der Philosophie entlehnt zur Bezeichnung der 'Neigung der Sprachgemeinschaften, jede Erscheinung irgendwelcher Art, sofern sie durch ein Wort bezeichnet werden kann, zu vergegenständlichen ... und mit einer selbständigen von anderen Erscheinungen losgelösten Existenz zu begaben, sie also zur akzisdenzlosen Substanz zu erheben.' Diese Neigung beruht auf der 'Unfähigkeit des sprachlich Ungeschulten, den zu einem Wort gehörigen Bedingungskomplex aufzulösen' und führt zu der geistig-sprachlichen Zwischenwelt, die das Verhalten der Mitglieder einer Sprachgemeinschaftspezifisch beeinflusst." (Weidmann, 1979:22)
Bei I. Kant erhält der Begriff Hypostase einen neuen Sinn, da er davon ausgeht, dass Hypostasen im antiken Sinn nicht existieren, sondern ein „blosse(s) Blendwerk“ sind. Er versteht unter Hypostase etwas, was bloß in Gedanken existiert, dem man aber dieselbe Qualität zuschreibt, die einem wirklichen Gegenstand ausserhalb des denkenden Subjekts zukommt. Aus dieser Wortbedeutung leitet I. Kant das Verb hypostasieren (einem Gedanken gegenständliche Realität unterschieben) ab.
Siehe dazu auch Hypokeimenon, was - quasietymologisch - eine etwas andere Begriffserläuterung ermöglichen würde.