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Systemtheorie 2. Ordnung

Systemtheorien 2. Ordnung nenne ich Systemtheorien, in welchen der Beobachter, der die Systemtheorie äussert, als ein sich selbst beschreibendes System aufgefasst wird.


 

Dass Menschen über ihre Umwelt sprechen, kann ich ganz normal finden, zumal ich es ja auch tue. Ich kann aber dieses Sprechen über die Umwelt - in diesem vagen Sinne - auch zum Phänomen machen und nach einer Erklärungen suchen. Ich kann mich - als konstruierender Beobachter - fragen, wie ein Beobachter, der Beschreibungen seiner Um-welt macht, "konstruiert" sein könnte. Nich erst seit Golem und Frankenstein ist das eine der bewegensten Fragen in der Wissenschaft. Vaucanson's "Ente" und Descartes' "Homme" sind anschauliche Beispiele von Antworten, die man geben könnte. Die moderneren Wissenschaften, die sich mit künstlicher Intelligenz und Genmanipulation befassen, haben etwas kompliziertere Erklärungen als die mittelalterlichen Aufklärer - und natürlich verfolgen sie auch praktischere Anliegen (Anmerkung 3).

Es gibt verschiedene Methoden, um herauszufinden, wie ein Beobachter funktionieren könnte (Anmerkung 4). Systemtheoretisch rekonstruiere ich die Funktionsweise einer Blackbox. Ich wende also das Verfahren auf den Beobachter an, das ich als Systemtheorie 1. Ordnung beschrieben habe. Dabei betrachte ich das Beobachten als Phänomen und den Beobachter als Träger des Phänomens. Ich betrachte dabei den Beobachter also quasi als System und das Beobachten als ein spezifisches Verhalten des Systems.


    

Wenn ich beispielsweise systemtheoretisch über Computer oder über Tempel spreche, beschreibe die Funktionsweise von Mechanismen, die ich als Ursache eines Phänomens sehen kann, das mir oft als Input-Output-Relation x=(f)y, also als Blackbox erscheint. Wenn ich den Beobachter auch als Gegen(über)stand auffasse, beschreibe ich genau gleich ein operationell geschlossenes System, das auf seine Eigenzustände reagiert. So wie ich die thermostatengeregelte Heizung konstruktiv kontextfrei beschreibe, kann ich auch den Beobachter jenseits eines Kontextes beschreiben und mir anschliessend überlegen, was das System in welchen Kontexten wohl machen würde - und wie das ein aussenstehender Beobachter interpretieren könnte (Anmerkung 5).

Ich beschreibe den Beobachter also perspektivisch in einer Innen- und einer Aussensicht. In der Innensicht beobachte ich den operationell geschlossenen Mechanismus, dessen Verhalten ich in der Aussensicht deute. Da ich aber selbstreferentielle Aussagen mache, ist das, was ich als Aussensicht darstelle, natürlich eine Deutung meines eigenen, operationell geschlossenen Beobachtersystems (Anmerkung 6). H. Maturana bezeichnte diese doppelte Darstellung, in welcher die Aussensicht als konsensueller Bereich erscheint, als "logische Buchhaltung".


 
 

Metakommunikation

Ich werde im folgenden also die Systemtheorie 1. Ordnung selbstreferentiell wiederholen. In gewisser Hinsicht reproduziere ich logischerweise das 1. Kapitel, weil ich ja wieder ein Phänomen als Problemstellung für eine Rekonstruktion wähle. Allerdings wird sich die Rekonstruktion in diesem Kapitel von jener im ersten Kapitel unterscheiden, weil sie durch die Selbstbezüglichkeit ja auch einen ganz andern Sinn hat. Ich verwende die Systemtheorie in dieser Perspektive als Reflexionsmittel. Durch die Systemtheorie (dia logos) schaffe ich ein spezifisches Selbstverständnis, in welchem meine Wahrnehmungen und Für-wahrnehmungen aufgehoben sind, weil ich Autor der Beobachtung bin und auch das beobachtete System repräsentiere. Ich frage mich, wie ich selbst mir als System erscheine. Ich sehe darin die beste (radikalste) Kritik am systemtheoretischen Denken.


 
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