umgangssprachliche Homonyme: Umgangssprachliche Verwendungen des Wortes Theorie, naive Theorie, Hypothese(nbündel), Alltagstheorie Ich unterscheide Theorie und Theorien im Sinne von Objekt und Instanz. Theorien befassen sich normalerweise nicht mit Theorie, sondern mit der Plausibilisierung von Erklärungen.
Hier geht es um einen Begriff der Theorie
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Als Theorie bezeichne ich eine explizite Reflexion (Widerspiegelung) der Kategorien, die ich beim Beobachten von Sachverhalten verwende. Theorie ist mithin ein Resultat einer Beobachtung 2. Ordnung.
Theorie beschreibt die Anschauung (theorein), nicht das Angeschaute.
Beispiel:
Systemtheorie verwendet die Kategorie System, alles, was beobachtet wird, als Aspekt eines Systems beobachtet.
Dabei spielt keine Rolle, ob das Wort System in den beobachteten Beobachtungen verwendet wird, als Kategorie erscheint es in der Theorie.
Anmerkungen:
Jede Beobachtung 2. Ordnung ist theoretisch und beobachtet Kategorien. Von einer Theorie spreche ich aber nur, wenn hinreichend viele Kategorien so verbunden sind, dass sie eine Lehre reflektieren.
Umgangssprachlich ist gelegentlich von impliziten Theorien die Rede. Dabei wird unterstellt, dass sich Beobachtungen einer Theorie, die jemand im Kopf hat, zurechnen liessen. Darüber ist hier nichts gesagt. Hier ist mit Theorie ein Text gemeint.
Da eine Theorie - in vorliegenden Kontext - eine Beobachtung ist, kann sie wie jede andere Beobachtung als Beobachtung der Realität beobachtet werden. Sie hat dann wie andere Umschreibung ein Referenzobjekt. In einer Systemtheorie beispielsweise wird etwas über Systeme gesagt. Die Kybernetik beispielsweise kann als eine bestimmte Systemtheorie betrachtet werden, deren Referenzobjekt die Funktionsweise von Regelungen umschreibt. Als Theorie behandeln Systemtheorien dagegen nur die Beobachtung, nicht etwas, was beobachtet wird. In der Theorie wird die Kategorie System beschrieben, also dass - egal was - wie als System beobachtet wird.
Ich kann beispielsweise eine Heizung beobachten. Wenn ich dabei die kybernetische Theorie verwende, beschreibe ich die Heizung als geregeltes System. Die Heizung ist dann eine Referenzobjekt in der Realität, weil ich sie beschreibe. Sie ist nicht Gegenstand meiner Theorie. Nur wie ich sie beschreibe, bestimme ich durch meine Theorie. Heizungen gibt es schon länger als die Kybernetik. Und es ist sinnenklar, dass immer schon in Abhängigkeit von der Temperatur geheizt wurde. Wenn ich einen Text über eine Heizung lese, kann ich nicht wissen, ob diesem Text die bewusste Anwendung einer Theorie zugrunde liegt, wenn das nicht so im Text steht. Wenn ich aber eine Theorie dazu habe, kann ich sie im Text erkennen, auch wenn der Autor des Textes nichts von dieser Theorie gewusst hat.
Ich unterscheide in Bezug auf Theorie zwei Fälle: Im einen Fall beobachte ich Sachverhalte ohne Theorie und im andern Fall wende ich eine Theorie an. N. Wiener beschreibt in seinem Roman Die Versuchung, wie er seine Systemtheorie anhand von Beschreibungen von geregelten Maschinen entwickelt hat. Lange davor haben ganz viele Autoren Regelungen beschrieben. Die Ausdrücke Governor und Kybernetik beziehen sich auf Texte von Plato. Nachdem die Kybernetik existierte, wurde sie auf verschiedene Gegenstände angewendet, die davor nicht mit dieser Theorie beobachtet wurden. Und natürlich gibt es auch zur Kybernetik als Theorie verschiedene Auffassungen.
Als Beobachtungen kommen in der vorliegenden Theorie nur Texte in Betracht. Beim Schreiben, also beim Herstellen von Text, verwende ich Bezeichnungen, das sind Worte, die für andere Worte stehen. Wo ich beispielsweise "Einhorn" sage, könnte ich auch von einem Pferd mit einem geraden Horn auf der Stirne sprechen. Das Wort ist in diesem Sinne ein Er-Satz für einen Satz, der aus Wörtern besteht, die ihrerseits für Sätze stehen. Wörterbücher - wie mein Hyperlexikon - zeigen eine mögliche oder gängige Zuordnung von Wörtern zu Sätzen. Schliesslich kann jeder Satz, der ein Wort ersetzt, durch weitere Sätze ersetzt werden. Zunächst deshalb, weil die darin verwendeten Wörter ersetzt werden können. In eigentlichen Wörterbüchern werden Wörter, die als Schlagwörter vorkommen, markiert. In (m)einem Hypertext-Wörterbuch werden sie entsprechend verlinkt. Dann aber können Er-Sätze vor allem auch ersetzt werden, weil ich sehr verschieden ausführlich erläutern kann, was ich mit einem Wort bezeichne. In philosophischen Wörterbüchern werden Wörter oft mit seitenlangen Essays erläutert.
Der Er-Satz wird oft als Erläuterung der Bedeutung des ersetzten Wortes gelesen. Wenn der Er-Satz eine Definition ist, bezeichne ich das ersetzte Wort als Begriff.
und aktuell noch das:
Als Theorie bezeichne ich die Beobachtung von Kategorien, die Beobachtungen zugrunde liegen, deren Refrenzobjekte nicht Beobachtungen, sondern Beobachtetes sind. Dabei interessiert mich nicht, inwiefern die beobachteten Objekte wirklich existieren, sondern nur, dass sie wirklich beobachtet werden. Wenn jemand beispielsweise beobachtet, dass es Einhörner oder Freiheit gar nicht gebe, schreibt er über Einhörner oder Freiheit, nicht darüber, wer sie wann wie beobachtet. Als Beobachtetes bezeichne ich in diesem Zusammenhang also das Referenzobjekt von Beobachtungen, in welchen aufgeschrieben wird, was jenseits der Beobachtungen - also beobachtbar - der Fall ist. Nicht nur umgangssprachlich ist dabei oft von Realität die Rede.
Den Ausdruck Beobachtung verwende ich hier terminologisch gebunden ausschliesslich für Texte, die eine Beobachtung repräsentieren. Deshalb sind auch Beobachtungen von Beobachtungen Texte. Sie müssen keineswegs Kategorien beobachten oder gar Theorien sein.
Da die Theorie, die ich hier entwickle, auch selbstbezüglich ist, reflektiere ich Kategorien, die ich beim Beobachten verwende, auch in diesem Text, der ja nicht nur eine Theorie, sondern auch eine Erläuterung der Theoriebildung ist. Als primäre oder fundamentale Kategorie erkenne ich in meinen Texten die gegenständliche Tätigkeiten. Diese Kategorie bestimmt, wie ich Text und die Textherstellung, also das Schreiben begreife. Was ich über Text und Schreiben an anderen Orten lese, beruht sehr oft auf anderen Kategorien. Ich werde deshalb zunächst einiges über die hier in Betracht kommenden Texte schreiben und anschliessend erläutern, was ich als Kategorie bezeichne und wie solche Kategorien in Theorien aufgehoben sind.
Ein paar Erläuterungen am Fall der umgangssprachlichen Verwendung von "Theorie":
In Redeweisen wie "Theorie und Praxis" wird Theorie meistens für nicht adäquates und unvollständiges Wissen verwendet.
Als "gesunden Menschenverstand" bzeichne ich die Vorstellung, wonach ich meine Anschauung nicht reflektieren muss, weil ich die Wirklichkeit oder Tatsachen sehe.
Weltanschauung setzen anstelle von Theorie geteilte Wahrheiten.
Mit dem Ausdruck Evolutionstheorie wird sehr oft die Lehre bezeichnet, die C. Darwin zugerechnet wird. Diese Lehre beschreibt die Entstehung verschiedener Arten von Lebewesen, verkürzt, dass der Mensch vom Affen abstammt.
Diese Lehre ist keine Theorie im hier bezeichneten Sinn, sondern eine Beschreibung eines Sachverhaltes, die im Hinblick auf Kategorien beobachtet werden kann. Als Theorie bezeichne ich die Beobachtung der für die Lehre zentrale Kategorie einer Evolution. Ich würde die Theorie dann Evolution oder Evolutionstheorie nennen. Sie hätte nichts mit Lebewesen zu tun, sondern beispielsweise mit Mutation und Selektion. N. Luhmann beobachtet in seiner Evolutionstheorie - die ja keine Lebewesenarten beschreibt - die Triade "Variation, Selektion, Stabilisierung".
R. Stichweh [ ]
bringt weitergehende Theorie, die bei N. Luhmann systematisch fehlt: Alle "Darvinismen" würden Elemente beschreiben, die konkurrieren und Reproduktionserfolg haben wollen. Wenn man die Elemente als Menschen begreife, werde es sozialdarwinistisch. Die entscheidende Frage sei, wie das Element gewählt werde. Die Elemente müssten beispielsweise Normen, Regeln, Kommunikationen oder Organisationen sein, dann drohe die Gefahr zum Sozialdarwinismus nicht.
Hier ist theoretisch entscheidend, dass die Wahl der Elemente als entscheidend beobachtet wird. Das ist eine Aussage der Theorie.
J. Piaget spricht von naiven Theorien, womit er Erfahrungen bezeichnet, die Erinnerungen an regelhafte Zusammenhänge, die aufgrund von Erlebnissen hypothetisch angeeignet wurden. Er meint damit also keine Theorie, sondern verallgemeinerte Anschaungen, die von Inhalten abstrahieren.
Mir ist nicht klar, wie klar die Sache für J. Piaget war (er definiert seine Wortverwendung praktisch nie.
Ein Beispiel ist das Saugen des Kleinkindes, das zunächst naiv (ursprünglich) passiert, aber vom Kind als Erfahrung verallgemeinert wird:
Wenn ich trinken will, muss ich saugen - egal woran.
In der Wissenschaftstheorie (etwa beim theorielosen K. Popper) gelten oft auch auf Hypothesenbündel abgespeckte Beschreibungen als Theorien. A. Rapoport macht dazu einen präziseren Vorschlag: Theorie: Menge von theoretischen Aussagen, so dass die Fasifikation einer Aussage die ganze Menge betrifft. Beispiel: Ein defektes Rädchen in einer Maschine kann diese stoppen, nicht aber eine defekte Anzeige-Lampe. Nach Rappoport können theoretische Aussagen unter bestimmten Umständen falsifiziert werden. (Allgemeine Systemtheorie, 1988, 14)
Ingenieure entwickeln keine Theorien, sondern Methoden, weil ihre Konstruktionen nicht für etwas anderes stehen, also nicht(s) erklären sollen.
Kalküle sind keine Theorien, sondern Mechanismen: Wenn sie hergestellt sind, kann man damit rechnen, wenn sie nur beschrieben sind, dienen sie als Anweisungen beim Rechnen.
Etymologie:
Das Wort Theorie (griech 'theorein) steht für beobachten, betrachten, schauen; (theoría: das Anschauen, ''wörtlich:'' „die Schau des Göttlichen“, ''theos''; die Betrachtung oder Wahrnehmung des Schönen als moralische Kategorie) bezeichnete ursprünglich die Betrachtung der Wahrheit durch reines Denken, unabhängig von ihrer Realisierung. Vermutlich deshalb wird der Begriff alltagssprachlich auch unbestimmt als Gegenteil] von Praxis benutzt.
Literatur:
J. Searle: Metapherntheorie (98ff). Ich glaube, Searle vermischt Theorie und Erklärung. Er macht einen fliessenden Übergang, der ihm kaum bewusst ist.
Zitate:
Eine interessante Variante gib N. Luhmann in „Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie“, wobei er schliesslich auch offen lässt, was er als Theorie bezeichnet: „Dieses Dilemma hat den Theoriebegriff selbst gespalten. Teils versteht man unter Theorie empirisch testbare Hypothesen über Beziehungen zwischen Daten, teils begriffliche Anstrengungen in einem weitgefassten, recht unbestimmten Sinne. Ein Mindesterfordernis ist zwar beiden Richtungen gemeinsam: Eine Theorie muss Vergleichsmöglichkeiten eröffnen. Im übrigen ist jedoch umstritten, durch welche Art von Selbsteinschränkungen man sich das Recht verdienen kann, sein Unternehmen Theorie zu nennen. Dieser Streit und diese Unsicherheit sind zugleich Wirkung und Ursache des Fehlens einer facheinheitlichen Theorie, an der man sich wie an einem Musterbeispiel, wie an einem »Paradigma« orientieren könnte. (Luhman, Soz.Systeme, 7)
und in KdG S. 440
.. von Praxis unterschieden wird, sondern von Erkenntnis auf Grund unmittelbarer Sinneseindrücke. Theorös ist, wer bei Festspielen als Gesandter zuschaut und daheim davon berichtet; oder wer aus Delphi mit einem Orakelspruch zurückkehrt. Theorie ist sozusagen Fernwissen (etwa Wissen, das Gesandte aus anderen Städten oder Ländern mitbringen und glaubwürdig bezeugen1 1 8), sinnlich vermittelte Erkenntnis dagegen Nahwissen ohne große Reichweite und ohne besondere Anforderungen an Gedächtnis und Glaubwürdigkeit der Kommunikation. Mit dieser semantischen Disposition konnte man bei der Einführung der Bezeichnung Ästhetik für Kunsttheorie'noch rechnen. Daher ging es zunächst auch nicht um die Unterscheidung von schöner Natur und schöner Kunst, sondern nur um eine gewisse Aufwertung des Erkenntniswertes einer auf Schönes
gerichteten sinnlichen Wahrnehmung. Und dabei konnte es sich sowohl um den neuen Begriff von Natur als auch - um Kunstwerke handeln.
Anders als die Wortwahl vermuten lassen könnte, ist Ästhetik jedoch keine Theorie der sinnlichen Wahrnehmung, denn das hätte als Psychologie ausgeführt werden müssen. Schon bei Baumgarten und verstärkt in seiner Nachfolge bis zu Kant und darüber hinaus geht es um eine Theorie der Beurteilung sinnlicher
Wahrnehmung - so wie in den zeitlich parallel laufenden Versuchen zur Neuformierung der Ethik um eine Theorie der Beurteilung moralischen Verhaltens. Damit nimmt die Ästhetik den Faden auf, den die öffentlichkeitsorientierte Kunstkritik und die Geschmackslehre der ersten ..
".. dahinter steckt eine der zentralen Theorietechniken: Hochgeneralisierung plus Rekombination (Konkretion), oder anders gesagt: die Eröffnung eines Vergleichsbereiches (einer Äquivalenzzone), durch die sich die Deutbarkeit eines Phänomens inszenieren lässt." (P. Fuchs, 17.8.08)
Goethe rügt die Sucht, mit Erscheinungen sogleich durch subjektive Wirkungen Folgerungen zu verbinden, mit den schärfsten Worten, so «Sprüche in Prosa»; Natw. Schr., 4. Bd., 2. Abt., S.375: «Es ist eine schlimme Sache, die doch manchem Beobachter begegnet, mit einer Anschauung sogleich eine Folgerung zu verknüpfen und beide für gleichgeltend zu achten», und: «Theorien sind gewöhnlich Übereilungen eines ungeduldigen Verstandes, der die Phänomene gern los sein möchte und an ihrer Stelle deswegen Bilder, Begriffe, ja oft nur Worte einschiebt. Man ahnet, man sieht wohl auch, dass es nur ein Behelf ist; liebt nicht aber Leidenschaft und Parteigeist jederzeit Behelfe? Und mit Recht, da sie ihrer so sehr bedürfen.» (Ebenda S.376)
Beispiel einer Theorie-Praxis-Differenz:
„Man nennt einen Inbegriff selbst von praktischen Regeln alsdann Theorie, wenn diese Regeln, als Prinzipien, in einer gewissen Allgemeinheit gedacht werden, und dabei von einer Menge Bedingungen abstrahiert wird, die doch auf ihre Ausübung notwendig Einfluss haben. Umgekehrt heißt nicht jede Hantierung, sondern nur diejenige Bewirkung eines Zwecks Praxis, welche als die Befolgung gewisser im allgemeinen vorgestellter Prinzipien des Verfahrens gedacht wird“. (Immanuel Kant, Über den Gemeinspruch, S. 127). [ ]
"... die üblichen Theorieziele des Generalisierens und Systematisierens von Vergleichen gelten dann als »spekulativ«, weil sie, so scheint es, nur unter Verzicht auf Analyse und Empirie erreichbar sind." (Luhmann, WdG, 410)
"...wenn das Ganze sich im optischen Medium der Schrift duplizieren läßt, auch als Textgattungen und als Theorien kennt. Theorien wiederum können im Medium des Wahrheitscodes zu untereinander konsistenten Wahrheiten gekoppelt werden, zu Formen also, deren Außenseite der Bereich der untereinander nicht konsistenten Unwahrheiten wäre. (Luhmann, WdG, 172)
[ Principia Cybernetica Web ]
THEORY
An imaginative formulation of apparent relationships or underlying principles of certain observed phenomena. It may have been verified to some extent, or it may be pure hypothesis or conjecture. (Iberall)
Fun-Theorie (youtube)
[ Fuchs ]
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[ K. Bartels ]
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[ fb: Wenn man Lehre und Theorie (wie?) ]
[ F. Hoegl über "Theorie/Systemtheorie: ]
[ etwas commonsense (von Jörg Friedrich) ]
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